: Adios mit gemischten Gefühlen
Nach dem erneuten Ausscheiden im Viertelfinale der Eishockey-WM fängt für Bundestrainer Ludek Bukac die Arbeit erst richtig an ■ Aus München Peter Unfried
Herzlichen Glückwunsch, Didi! 31 Kerzel stecken heute in der Geburtstagstorte von Dieter Hegen, und während sich das Töchterlein (4) riesig freut, die zusammen mit dem Papa ausblasen zu dürfen, ist der Republik treffsicherster Stürmer möglicherweise eher brummig und gar nicht so recht bei der Sache. Einerseits: „Das ist mein erster Geburtstag seit zehn oder zwölf Jahren, den ich mit meiner Familie feiern kann.“ Andererseits: „Mir wär's natürlich lieber, ich wär noch bei der Mannschaft.“ Ist er aber nicht mehr, weil es jene zwei Tage nach dem 1:5 im WM- Viertelfinale von München längst in alle Winde verstreut hat. „Das ist eben der Modus“, weiß natürlich auch Hegen. Jener des Play- Offs nämlich, der einen Verlierer gnadenlos auf die Reise schickt – unbeeindruckt vom ruhmreichen Abschneiden in der Vorrunde. 8:2 Punkte hatten die Deutschen dort gesammelt, „zwei richtig tolle Spiele“ (Hegen) abgeliefert gegen Finnen (3:1) und US-Amerikaner (6:3), so daß Hegens Kollege Uli Hiemer wie die meisten im Team zum Schluß gelangten: „Wir haben ein sehr gutes Turnier gespielt.“
Nur, wie verzwickt das eben sein kann: Bisweilen glaubt man selbst nicht so ganz, was man sich gerne einreden möchte. Gemischte Gefühle nennt sich dieser Gemütszustand, und keiner hat ihn besser in Worte gefaßt als der geradlinige Hegen: „Sicher“, sinniert der seit Dienstag abend, „wir mußten nicht unbedingt gewinnen, aber vielleicht hat jeder die Chance gesehen, die Russen diesmal zu packen.“ Genau so war's. Vorher. Als es aber losging, sah der Kapitän Gerd Truntschka schnell, daß „wir wesentlich nervöser und hektischer waren als in den Spielen zuvor“. Es haperte an der Genauigkeit der Pässe, am Tempo, an all den „kleinen Dingen“, die, wie Bundestrainer Ludek Bukac nie zu predigen müde wird, „den Unterschied ausmachen“. Daß der Schiedsrichter Rob Hearns (USA) auch nicht gerade ein Freund der Deutschen sein mochte? Keine Entschuldigung für den Trainer: „Egal, ob der Schiedsrichter gut oder schlecht war, schuld sind immer wir selbst.“ Und weil er ein höflicher Mensch ist, lobte er Einsatz, Willen und Moral der Seinen auf das Heftigste, um dann eher beiläufig zum Wesentlichen zu kommen: „Was wir brauchen“, das weiß der Prager nicht erst seit vorgestern, „ist Professionalität.“
Trefflichst analysiert, Ludek, denn daran genau haperte es gegen die superprofessionellen Russen (Trainer Boris Michailow: „Meine Direktiven sind sehr gut befolgt worden.“). Zum Beispiel dem Düsseldorfer Rick Amann, der beim Stand von 0:1 nach exakt acht Sekunden deutscher Überzahl einen Stock-Check für angebracht hielt. Oder dessen Verteidigungspartner Andreas Niederberger, der mit dem Stock zustach, als Hegen längst draußen saß, zehn Minuten kassierte und sein Team daraufhin bei Drei gegen Fünf ein drittes Tor. – „Es tut weh, wenn man das Gefühl hat, da wäre mehr drin gewesen“, sagt Ludek Bukac. Es fehlt noch an „Verantwortlichkeit“, Bukacs Lieblingsvokabel: „Die Spieler übernehmen keine Verantwortung für die eigene Leistung.“ Das hat er denen seit Amtsantritt einzubleuen versucht, aber nicht geschafft.
Noch nicht. Auch deshalb ist es nicht ganz unlogisch, daß man sich nach Olympia und WM 1992 nur erneut mit dem Viertelfinale hat begnügen müssen. Immerhin: „Platz fünf“, sagt Bukac, „so gut waren wir seit zehn Jahren nicht mehr.“
Und das Gerede vom Viertelfinal-Syndrom? Unfug, sagt der Prager. Jeder komme daher und glaube, „wir müßten eine Medaille holen“. Wg. Beibehaltung des Trends, wg. Heimvorteil, wg. Aufschwung der heimischen Branche. Aber: „Das ist harte Arbeit und geht nicht von selbst.“
Das sieht anscheinend auch DEB-Prädident Ulf E. Jäkel ein. Jener, der aussieht wie ein Kaufbeurer Steuerberater mit Dreitagebart und zufällig auch einer ist, hat gesagt, die Mannschaft sei „sportlich sehr erfolgreich gewesen“, was sich auch positiv auf WM und Zukunft auswirken werde, und er sei mit Bukac sehr zufrieden. Und jener hat die Arbeit längst wieder aufgenommen und sucht bereits nach „neuen Entwicklungen, neuen Leuten, neuen Wegen“.
„Ich bin nicht traurig“, hat er gesagt. Das hat natürlich nicht gestimmt. Er ist sehr traurig. Aber, und das unterscheidet ihn von seinem Kapitän Truntschka, der gesagt hat, „im Moment bin ich nur fertig“, und nun möglicherweise mit 34 seinen Abschied einzureichen gedenkt: Fertig ist der Ludek Bukac hier noch lange nicht. Der fängt jetzt erst richtig an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen