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Auf Biegen und Brechen: Erster großer Oststreik

■ Metaller und Stahlarbeiter stimmten haushoch für den Arbeitskampf

Dresden/Berlin/Hamburg (dpa) – Die ostdeutsche Industrie steht vor ihrem ersten großen Streik seit mehr als 60 Jahren: Mit überwältigender Mehrheit machten die IG-Metall-Mitglieder in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen sowie in der ostdeutschen Stahlindustrie in einer dreitägigen Urabstimmung den Weg für einen Arbeitskampf frei.

Mit Arbeitsniederlegungen für die Erhaltung des Stufentarifvertrages in der Metall- und Stahlindustrie wird bereits vom nächsten Montag an gerechnet. Der Gewerkschaftsvorstand wird an diesem Donnerstag über den Start und mögliche Schwerpunkte der Maßnahmen entscheiden. „Bis dahin bleiben den Arbeitgebern noch ein paar Stunden Zeit für eine Kehrtwende“, sagte IG-Metall-Chef Franz Steinkühler.

Sein Stellvertreter Klaus Zwickel sagte allerdings im taz-Interview, er könne sich eine Einigung in letzter Minute „unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum vorstellen“.

Die für einen Streik erforderlichen 75 Prozent der Stimmen wurden in der Urabstimmung weit übertroffen: Fast 90 Prozent bei Metall in Mecklenburg- Vorpommern stimmten für einen Arbeitskampf, in Sachsen waren es rund 85 Prozent. In der Stahlindustrie forderten knapp 86 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder Kampfmaßnahmen. Zur Urabstimmung waren insgesamt rund 100.000 Beschäftigte aufgerufen. – Mit dem Arbeitskampf will die Gewerkschaft die Arbeitgeber zur Rücknahme ihrer Kündigung der Stufenpläne zwingen. Zuletzt hatten die Beschäftigten mit Warnstreiks die Einhaltung der Stufentarifverträge von 1991 gefordert, dem Grundstein der vollen Angleichung der Ost-Einkommen der rund 350.000 Beschäftigten bei Metall, Elektro und Stahl der neuen Länder an West-Niveau bis 1994. Vom 1.April dieses Jahres an waren Einkommensverbesserungen von 26 Prozentpunkten vorgesehen – eine Steigerung auf rund 80 Prozent.

Mit dem Urabstimmungsergebnis seien „hoffentlich alle Träume von einer in Ostdeutschland nicht kampfbereiten IG Metall gestorben“, sagte IG- Metall-Chef Steinkühler. Er forderte die Arbeitgeber auf, zum Stufentarifvertrag zurückzukehren. Steinkühler: „Bevor unsere Mitglieder von einer Parteidiktatur in eine Arbeitgeberdiktatur wechseln, stehen sie auf und sagen: Mit uns nicht.“

Mitten in die Streikvorbereitungen der ostdeutschen Stahlarbeiter platzte gestern eine Entscheidung der EG- Kommission: Sie will für die Modernisierung der Eko Stahl AG in Eisenhüttenstadt vorläufig keine öffentlichen Beihilfen bewilligen. Tagesthema Seite 3, Essay Seite 10

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