: Schwere Zeiten für Schwarzfahrer
Fahrgäste werden jetzt auch von privaten Sicherheitskräften kontrolliert / Fünf Prozent alle Fahrgäste sind ohne Ticket unterwegs / Bußgeld für Schwarzfahren soll auf 100 Mark erhöht werden ■ Von Hella Kloss
Berlin. Für Berlins Schwarzfahrer brechen harte Zeiten an. Die Anwender des Nulltarifs werden in letzter Zeit häufig durch ein energisches „Die Fahrscheine, bitte“ aufgeschreckt. Bislang waren die Begegnungen mit den Kontrolleuren der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) eher eine Seltenheit, die Gefahr, das Bußgeld von 60 Mark berappen zu müssen, relativ gering. Doch seit kurzem erhalten die „Häscher in Blau“ Unterstützung von 246 Sicherheitskräften des Industrie- und Handelsschutzes (IHS). Die von der BVG zur Sicherheit und Ordnung auf den Bahnhöfen angestellten Wachmänner dürfen seit dem 5. April Fahrausweiskontrollen durchführen. In den ersten 14 Tagen wurden bereits 4.000 Schwarzfahrer erwischt, rund fünf Prozent aller Fahrgäste sind ohne Fahrschein unterwegs.
Schwarzfahren dürfte in Zukunft zudem ein sehr teures Vergnügen werden. Im Abgeordnetenhaus steht ein Vorschlag zur Abstimmung, die Strafe für Schwarzfahren auf 100 Mark zu erhöhen. Doch gegen diese Pläne regt sich Protest. Der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/ Grüne, Michael Cramer, kritisiert den einseitigen Blick auf die Schwarzfahrer. „Fast jeder Schwarzparker kommt mit 30 oder 40 Mark davon“, bemängelt er die Unverhältnismäßigkeit. Auch für den ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist es unverständlich, daß „jeder Autofahrer fürs Falschparken nur 'n Appel und 'n Ei zahlen muß“, Schwarzfahrer jedoch mit einem Bußgeld von 100 Mark bestraft werden sollen.
Bei den Kontrollen zahlt die BVG bisher kräftig zu. 16 Millionen Mark läßt sich das Unternehmen die Überprüfung jährlich kosten, nur vier Millionen Mark kommen durch Bußgelder wieder in die Kasse. Dennoch halten nach Meinung der BVG die Kontrollen so viele Kunden vom Schwarzfahren ab, daß sich der Aufwand lohne. „Unsere Ausgaben bekommen wir spielend wieder rein“, meint der Leiter der Verkehrs- und Kontrollabteilung Bernd Müller. Die Hilfskontrolleure der IHS kosten die BVG jedenfalls keinen Pfennig zusätzlich. „Wir steigern die Effizienz der Wachleute, die stehen während der Fahrt ja sonst nur unbeteiligt rum“, meint BVG-Sprecher Ulrich Mohneke.
Allerdings kann Müller nicht sagen, wie stark die Quote der Schwarzfahrer steigen würde, wenn gar nicht mehr kontrolliert werde. Er argumentiert aber mit einem Beispiel von vor fünf Jahren: Als die BVG-Kunden bei Eindecker-Bussen auch in der Mitte einsteigen durften, seien durch die fehlende Kontrolle des Busfahrers täglich Fahrkarten im Wert von 33.000 Mark weniger verkauft worden. Hochgerechnet hätte sich der jährliche Verlust auf 8,25 Millionen Mark belaufen.
„Für überhaupt nicht repräsentativ“ hält dagegen Michael Cramer dieses Rechenexempel. Der damalige Innensenator Heinrich Lummer (CDU) hatte öffentlich verkündet, daß auf Grund einer Tarifveränderung zwei Monate lang keine Fahrkarten kontrolliert würden. „Das war eine Aufforderung zum Schwarzfahren“, meint der Grüne.
Trotz Kontrollen steht die BVG einem Problem jedoch auch recht hilflos gegenüber – dem Fälschen der Wertmarken mit Farbkopierern. „Wenn die Busfahrer Wertmarken mit der Lupe durchleuchten würden, dauert jeder Umsteigevorgang eine Dreiviertelstunde“, lautet Mohnekes resigniertes Fazit.
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