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Antennenknicken ok

■ Kein Urteil gegen Bremer Demo-Selbstjustiz

Antennenknicken ok

Kein Urteil gegen Bremer Demo-Selbstjustiz

Dr. Arne A. ist empört: Da fährt eine wildgewordene Mercedesfahrerin auf Kinder zu und das Verfahren wird eingestellt. Aber er, er bekommt einen Strafbefehl über 2.000 Mark,bloß weil er die Antenne abgeknickt haben soll. „Autoantenne wichtiger als Kinder?“ donnerte es aus einer Erklärung, die der Elternsprechen Arne A. verteilt hat. Skandal! „Ich werde den Gerichtssaal nur mit einem Freispruch verlassen.“

Tausende Kinder waren auf der Straße am 26. Mai letzten Jahres bei der Demo gegen die Sparwut. Selbst die I-Männchen von der Grundschule Admiralstraße waren dabei, begleitet von reichlich Lehrern und Eltern und Elternsprecher Arne A. Da habe eine Mercedes-Fahrerin auf Deibel komm raus versuchen wollen, an der Demo vorbeizukommen. Die Kinder hätten angst bekommen. Außerdem hätte sie Flugblätter aus dem Auto geworfen. Unerhört! Da habe er sich vor den Wagen gestellt: „Ich hatte ja das Megaphon.“ Doch die Frau sei auf den Bürgersteig und um ihn herumgekurvt, und er sei gestrauchelt. „Kann sein, daß ich an die Antenne gekommen bin.“

Margret B. will so ganz und gar nicht dem Typus Verkehrsrowdie entsprechen. Die proppere Hausfrau wollte auf die Hafa, und hatte sich schon fast an der Schülerschar vorbeigedrückt, bis ihr eine Horde SchülerInnen ganze Packen Flugblätter ins Auto geworfen hätten. Da habe sie einfach die Autotür aufgemacht und die Wurfsendung nach draußen expediert. Dann sei ein Lehrer mit einem Megaphon gekommen, und habe die SchülerInnen aufgefordert, den Wagen anzuhalten. Plötzlich hätte ein Horde SchülerInnen aufs Blech getrommelt. Panik: „Ich hab gedacht, die holen mich raus.“ Und als sie ganz langsam und um den mit dem Meagaphon vor ihrem Wagen herumgekurvt sei, da habe sie im Rückspiegel gesehen, wie der die Antenne abgeknickt hat. Es ginge ihr nicht um die Antenne, sondern um die Aggression, die die Kinder förmlich mitgerissen habe. Sie sei völlig fertig gewesen, danach auf dem Parkplatz.

Franz Korzus ist ein Anwalt, der mit allen Wasser gewaschen ist, Richter Behrens ist jung, der Staatsanwalt ist ein unerfahrener Rechtsreferendar. Plötzlich wird die Zeugin zur Angeklagten. Fast auf den Zentimeter soll sie ihre Fahrtroute erklären, und dreimal fragt Korzus, mit welcher Hand der mit dem Megaphon die Antenne geknickt haben soll. So geht das eine gute halbe Stunde, nicht ohne Effekt. Als die Zeugin entlassen ist, drängt der Richter den Staatsanwalt auf Einstellung des Verfahrens und Korzus drängt hinterher.

Draußen warteten andere, doch sie warteten vergebens. So oder so blieben zwei Versionen nebeneinander stehen, schließt der Richter. Da könne man nichts machen. Für weitergehendes Aufklärungsinteresse fehlte dem Gericht die Energie. Das Verfahren wurde eingestellt, auf Kosten der Staatskasse. Damit könne er leben, freute sich Arne A. Und Frau G. weiß gar nicht, was sie sagen soll. J.G.

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