: Ich bin nicht Rappaport
■ Horst Kroll in seiner Abschiedsrolle am Stadttheater Bremerhaven
Auf einer schäbigen Bank im Central Park sitzen Nat (Horst Kroll) und Midge (Helmut Nyemecz), zwei uralte Männer, die sich fremd sind. Zwei Außenseiter, ein Schwarzer und ein Jude. „Bitte, dringen Sie nicht mehr in mich ein“, sagt Nat zu dem schweigenden 80jährigen neben sich, denn er will eine seiner vielen Geschichtenm loswerden, mit denen er sein Leben ausschmückt. Daß er Nat heißt und nie etwas anderes, als ein kleiner Kellner war, beichtet er dem verblüfften Bankpartner erst am Ende des Stückes. Vorher gefällt er sich in der Rolle eines kubanischen Terroristen, eines Anwalts für Wohnungslose, oder eines Alt-Mafiosi. Am Ende sind die Maskeraden in sich zusammengefallen und Nats Versuche, mit seinem frechen Mundwerk Midge vor der Entlassung als Hausmeister zu schützen, sind fehlgeschlagen.
Herb Gardener zeigt in seinem 1985 uraufgeführten Boulevard- Stück „Ich bin nicht Rappaport“, die Überlebendversuche zweier gebrechlicher Alter, die nicht mehr gefragt sind, sich aber nicht aufgeben wollen. Ein Punk plündert sie aus, ein Dealer schlägt sie zusammen, Nats Tochter droht ihm mit Entmündigung, aber sie sitzen mitten im gefährlichen New York, ziehen genüßlich einen Joint durch und erzählen sich wundervoll traurige und komische Geschichten.
In einer betont ruhigen Inszenierung gibt Hans-Werner Wenzke des Schauspieler Horst Kroll Gelegenheit zu einer großen Abschiedsrolle. Zeit seines Schauspieler-Lebens der Mann für kleine Rollen, darf der Charge hier Charakter zeigen. Horst Kroll spielt den kleinen Mann mit den großen Flausen im Kopf als verschmitzten Trotzkopf, der sich seine blühende Phantasie nicht nehmen lassen will. Mindestens ebenbürtig ist Helmut Nyemecz als ruppiger, auch körperlich gebeugter, schwarzer Underdog, der am Ende Job und Wohnung verloren hat, aber nicht die Erinnerung an seine Frauen.
Der Regisseur konzentriert seine Inszenierung so sehr auf die beiden Alten, daß alle Nebenfiguren extrem stilisiert werden. Aber die überzogenen Klischees — des Machomanns, des brutalen Jugendlichen, der egoistischen Tochter — passen gar nicht in die Stimmung, die hier zwischen den Alten erzeugt wird: Ihr leiser Schmerz über den vergeblichen Kampf gegen die Zeit hält die Balance zwischen Wehmut und Komik. hans happel
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