: Lektion und Sieg
■ Am Rothenbaum: Newcomer Goellner besiegt Michael Chang
: Newcomer Goellner besiegt Michael Chang
„Unser neuer Superstar?“ titelt die Fachzeitschrift Tennismagazin ihre neuste Ausgabe. Die Reaktion des Publikums beim Zweitrunden-Spiel des Neussers Marc Kevin Goellner war noch ein wenig zurückhaltend, im Vergleich zu Begegnungen, in denen Boris Becker oder Steffi Graf dabei sind.
Eine Geschichte in den so richtig auflagenstarken Illustrierten hatte der Diplomatensohn schon nach seinem Überraschungserfolg in Nizza, als er mit Ivan Lendl und Stefan Edberg zwei Top-Ten-Spieler schlug. Gestern gelang ihm ein wei-
1terer Erfolg gegen einen der weltbesten Akteure: mit 5:7, 6:4 und 6:3 setzte er sich gegen den Amerikaner Michael Chang durch. Bereits am Anfang des ersten Satzes gelang es Goellner, dem Amerikaner das erste Aufschlagspiel zu stibitzen. Doch nach diesem Break bekam er dann erst einmal eine Lektion im Sandkastenspiel.
Beispielhaft wie es dem Amerikaner gelang, die Bälle des deutschen Newcomers zu erlaufen. Geduld, auf die Fehler des Gegners warten, eine enorme Laufstärke und das, was Boris Becker als mentale Stärke im deutschen Sprachgebrauch etablierte: das sind die Tugenden, die auf Ascheplätzen vonnöten sind und für die im Herren- Tennis eigentlich der Name Mi-
1cheal Chang steht. Warum es dann doch anders kam und der Neusser siegen konnte, war dem neuesten High-Tech-Spielzeug eines sponsorenden Elektro-Artikelherstellers zu entnehmen, einem Computer, der auf dem Bildschirm sämtliche Statistiken ausspuckt. Zwar schlug der Amerikaner nur 42 unforced errors, er drosch also nur 42 mal ohne Beeinflussung des Gegners den Ball ins Netz, während Goellner 64 mal seinem Gegner die Arbeit abnahm.
Dafür gelangen dem Newcomer aber 67 Winnerpunkte, während es die lebende Trainingswand Chang gerade einmal auf 43 direkt den Punkt bringende Schläge brachte. Gelungene Becker-Shuffle, multilinguales Fluchen und die Fähigkeit, Top-Ten-Spieler auch in der von Bobbele ungeliebten Sandkiste auszuschalten, sind sicherlich eine gute Voraussetzung, den Leimener in der Zuschauergunst ein wenig zu entlasten.
Die erste Hürde für Boris Becker für seinen Start in das Turnier steht unterdes fest. Carl-Uwe Steeb konnte sich gegen Paul Haaruis mit 6:4 und 7:6 durchsetzen und bestreitet somit sein Zweitrundenspiel gegen Boris Becker. Kai Rehländer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen