: Luxus Arbeit
■ Schöne, schlecht gehängte Foto-Ausstellung: über DDR-Frauen in und nach der DDR
Luxus Arbeit
Schöne, schlecht gehängte Foto-Ausstellung: über DDR-Frauen in und nach der DDR
Weiß gegen den süßen Dreck: in der Schokoladenfabrik
Schade: So miserabel präsentiert im Eingangsflur des Bürgerschaftshauses ist die Ausstellung „Luxus Arbeit“, daß es guter Vorsätze oder strikten Durchhaltevermögens bedarf, um sie lange und gründlich anzusehen — was sie aber sehr verdient hätte. Vier Fo
tografinnen dokumentieren auf großformatigen Bildern, wie Frauen im Osten mit dem Umbruch der DDR und dem ihrer Arbeitsplätze fertig werden. Wer sich an die Schließfächer der Bürgerschaft anlehnt und flach macht zwischen den engen Stell-Wänden,
kann diesen DDR-Frauen in die Gesichter und auf die Hände sehen, kann sich selbst von ihnen forschend, müde, entnervt, trotzig ansehen lassen. Da sieht man die gemalten Brauenbögen im Marlene- Ditrich-Gesicht dieser Putzfrau mit Besen, die Faust wie international abgesprochen in die Seite gestützt. Unvermeidlich all diese gemusterten Kittel mit den großen Knöpfen. Zum Beispiel: Die Leipziger Wollkämmerei von 1872, später mal VEB, jetzt AG. Das sind gewaltige Tonnen mit Garnen, klein die Kittel-Frauen daneben, schweißfeuchte Gesichter und rabenschwarze Hände: Wovon? Welchen Dreck kratzt die Arbeiterin vom Rost? Sehnsucht nach Unterzeilen.
Texte gibt es, als Portraits zu Bildern, in sehr unterschiedlichen deutschen Sprachen, drastisch und geraderaus. Da sitzen Frauen in Wohnküchen und vor Fototapeten, an Resopaltischen und auf geblümten Steppdecken, und sie reden zu uns: über die Langeweile beim Pralinenverpacken, über DDR-„Schlendrian“ und Freundschaften bei der Arbeit, über die neue alte Angst, „die Gusche aufzumachen“, wegen Arbeitsplatz, über die Überraschungen dieser freien Marktwirtschaft, über Träume aus Einrichtungskatalogen, über Fremdgehen und der Utopie, als Hausfrau zu Hause bleiben zu dürfen. Ein bißchen Wirklichkeit wird hier festhalten, Meinungen, Ansichten. Ansichten: auf umschattete Augen und den müden Blick über Pralinen- Cellophantüten, auf ein kleines hartes Gesicht über Schoko- Weihnachtsmännern, auf bröcklige Wände und dreckige Böden, auf endlose Fließbandstraßen. Schon: Die Maschinen sind groß und mächtig. Aber der Lippenstift kommt auch vor. Und das Kichern über Weinbrandbohnen. Daß inzwischen auch solche Fabrikarbeit im Osten zum Luxus geworden ist, stellte Frauenbeauftrage Ursula Kerstein bei der Eröffnung fest; bei allen Kinderkrippen und Babyjahren sei „die soziale Ungleichheit von Mann und Frau auch in der DDR nie überwunden“ worden. Heute ist die Arbeitslosenquote der Frauen dort doppelt so hoch wie die der Männer. Diese Fotos zeigen an wenigen Beispielen, welche Gesichter, welche Biografien zu solchen Zahlen gehören. Die Frauen auf den Fotos sind aber keine Illustrationen zu „Frau in der Arbeitswelt“. Sie haben ihre Gesichter behalten. S.P.
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