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"Mysterium der Mutterschaft"

■ betr.: "Der Babykrieg", taz vom 22.4.93

betr.: „Der Babykrieg“,

taz vom 22.4.93

Gisela Wuttke unterstellt in ihrem Artikel, die vergewaltigten Frauen trieben nur deshalb ab – „werden in Wirklichkeit explizit gezwungen“ –, weil ihre Familien/Freunde/Nachbarn sie verstoßen und die Gesellschaft ihnen keine akzeptablen Möglichkeiten bietet, „ihre“ Kinder großzuziehen. Völlig ignoriert wird, daß viele Frauen ein ihnen auf- oder eingezwungenes Kind – das eben nicht nur „ihr“ Kind, sondern auch immer das Kind eines anderen, im Vergewaltigungsfall das eines Feindes ist, der sie zutiefst gedemütigt hat – nicht austragen oder aufziehen wollen. Es ist eben nicht selbstverständlich, daß sie es annehmen!

Wieder einmal wird das sogenannte „Mysterium der Mutterschaft“ beschworen und stillschweigend vorausgesetzt, daß selbst vergewaltigte Frauen die ihnen aufgezwungene Leibesfrucht kraft Mythos und Hormonen schon lieben würden, böte man ihnen nur günstige Bedingungen. Mutterliebe wird's schon richten! (So, wie in dem aberwitzigen Schluß des Films „Rosemary's Baby“, wo die vom Teufel vergewaltigte Frau sogar das Teufelskind liebend annimmt!)

Was eine vergewaltigte Frau auch tut, sie wird immer zwischen allen Stühlen sitzen und ihr Leben lang damit zu schaffen haben. Nichts kann die Tatsache der Vergewaltigung auslöschen.

Alle brauchen sie unsere Hilfe: die Frauen, die das Kind aufziehen wollen/müssen, diejenigen, die es nicht haben wollen/dürfen, und nicht zuletzt die Kinder selbst (wenn die Adoptionsgesetze weniger ideologisch-nationalistisch überfrachtet wären, gäbe es auch keinen „Kinderhandel“); meine Unterstützung – könnte ich denn eine geben – gälte in erster Linie den Frauen, die nicht gewillt sind, sich zur Mutterschaft zwingen zu lassen. Sigrid Wiegand, Berlin

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