: SPD-Basis soll entscheiden
■ Personaldebatte um Engholm-Nachfolge geht weiter / NRW-Bezirke wollen Urabstimmung vorschlagen
Bonn (AFP) –In der SPD wächst der Druck, die Parteibasis über die Nachfolge des zurückgetretenen Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten Björn Engholm entscheiden zu lassen. Die Vorsitzenden der SPD-Bezirke Westliches Westfalen und Niederrhein, Franz Müntefering und Heinz Schleußer, wollen bei den parteiinternen Beratungen am Wochenende eine Urabstimmung vorschlagen. Auch der rheinland- pfälzische Ministerpräsident Rudolf Scharping, der als einer der Kandidaten für die Engholm- Nachfolge gilt, forderte eine „möglichst breite Beteiligung der Mitglieder unserer Partei an dieser Entscheidung“. SPD-Bundesgeschäftsführer Karlheinz Blessing schloß daher eine Urabstimmung nicht aus.
Schleußer sagte der WAZ, die SPD tue in ihrer jetzigen Lage gut daran, die Mitglieder soweit wie möglich an der Nominierung zu beteiligen. „Ich möchte den Parteitag sehen, der gegen den Willen der Mitglieder entscheidet.“ Müntefering unterstrich, der künftige Parteichef dürfe nicht mehr in einem kleinen Parteizirkel von 50 Personen ausgeguckt werden. Beide Politiker unterstrichen, die Wahl des oder der Vorsitzenden müsse möglichst schnell vor sich gehen, sei wegen der erforderlichen Diskussion aber vor den Sommerferien unwahrscheinlich. Auch der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) empfahl, die Basis sollte soweit wie möglich beteiligt werden.
Nach der SPD-Satzung wird der Parteivorsitzende vom Parteitag gewählt. Der nächste ordentliche Parteitag ist für Mitte November geplant. SPD-Parteisprecherin Cornelie Sonntag sagte, eine „Urwahl“ mit verbindlichem Charakter wäre „formal äußerst schwierig“. Denkbar sei aber eine „Urabstimmung“ aller Mitglieder in einem informellen Sinne. Dem Vorschlag von Schleußer und Müntefering kommt insofern ein gewisses Gewicht zu, als rund ein Drittel der knapp 880.000 SPD-Mitglieder in der Bundesrepublik den vier SPD- Bezirken in Nordrhein-Westfalen angehören.
Scharping plädierte dafür, zunächst den Parteivorsitzenden zu wählen. Dieser müsse dann „zu gegebener Zeit“ gefragt werden, ob er die Kanzlerkandidatur übernehme. Er warnte die eigene Partei davor, sich schon vor der Bundestagswahl 1994 auf eine rot-grüne Koalition festzulegen. Dies halte er im Gegensatz zum niedersächsischen Regierungschef Gerhard Schröder für falsch. Schröder hat wiederholt seinen Willen bekräftigt, die Nachfolge Engholms anzutreten.
Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hans-Ulrich Klose, mahnte zu mehr Zurückhaltung in der Nachfolge-Debatte. Jeder, der jetzt seinen Hut in den Ring werfe, erschwere dem amtierenden Parteichef Johannes Rau die Arbeit, meinte er. Nachdrücklich äußerte er den Wunsch, daß eine Frau eine der freien Führungspositionen übernimmt. Klose wandte sich wie Scharping gegen die Festlegung auf ein rot-grünes Bündnis in Bonn.
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