piwik no script img

Arbeitsmarktpolitik als Investition

■ Grünes Forum debattierte über die Situation auf Bremens zweitem Arbeitsmarkt

Der Staatsrat für Arbeit, Dr. Arnold Knigge, setzte alle seine Hoffnungen auf die Wirtschaftsstrukturpolitik. „Im Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm WAP steht Geld für die Arbeitsmarktpolitik bereit. In der Mittelstandsförderung, beim Gewerbeflächenprogramm, im Innovationsfonds und im Qualifizierungsfonds.“ In Zeiten, in denen die aktiven Mittel der Arbeitsförderung abgebaut würden, müßte man sich auf das Erhalten und Schaffen von Arbeit konzentrieren.

Da hatten die Teilnehmer beim arbeitsmarktpolitischen Forum der Grünen gestern in der Bürgerschaft schon zwei Stunden diskutiert, und plötzlich kam Leben in die Bude. „Wer sagt denn eigentlich“, fragte die grüne Abgeordnete Marieluise Beck ins Plenum, „daß die Subventionen für die Wirtschaft tatsächlich Arbeitsplätze bringen? Das wird immer als fast gottgegebene Wahrheit angeführt, nur kein Mensch ist in der Lage, das zu beweisen.“ Der zweite Arbeitsmarkt, der über ABM oder BSHG-Maßnahmen gefördert wird, werde dagegen als „unappetitlich“ betrachtet. „Es herrscht die Meinung: Bei der Wirtschaft investieren wir, bei der Arbeitsmarktpolitik stecken wir nur herein.“ Ihr Credo: „Wir müssen uns darüber klar werden, daß Beschäftigungspolitik investiv ist und als Standortfaktor eine Rolle spielt.

Helmut Spitzley, Professor für Arbeitslehre an der Bremer Uni, griff den Ball auf. „Wenn das so ist,

müssen wir das Sanierungsprogramm neu beleben. Wir sollten dokumentieren, daß wir in die Menschen, die hier leben, investieren wollen, und deshalb müssen die Mittel, die im WAP für Arbeitsmarktpolitik ausgewiesen sind, deutlich höher angesetzt werden.“ Staatsrat Knigge konnte darüber lächeln, denn Spitzley hatte vorher gefordert, daß Wirtschaftsressort aufzulösen und zu einer Unterabteilung im Arbeitsressort zu machen. „Anders knacken wir nicht die Schere im Denken der Arbeitsmarktpolitiker.“ Vorher hatte Knigge gerade mal 2,3 Millionen Mark hochgerechnet, die im WAP für Arbeitsmarktpolitik freigesetzt werden können. Da konnte selbst er nicht drüber lä

Foto haus: Arbeitsamt

cheln.

Welche Arbeitsmarktpolitik ist die Beste für Bremen? Zu dieser Frage hatten die Grünen zu einem Forum eingeladen, nicht weniger als neun Leute saßen auf dem Podium. Eine Diskussion kommt bei so einer Besetzung nicht zustande, maximal wurden die Juckepunkte deutlich:

-Arbeitsmarktpolitik steht zwischen den Fronten einer Integration in ein „echtes“ Arbeitsverhältnis und einer sozialpolitischen Funktion. Wird also stärker der erste oder der zweite Arbeitsmarkt gefördert? Katja Barloschky von der Fraueninitiative Quirl: „Man sollte nicht so tun, als würde man in Beschäftigungsprojekten die Schwerbeladenen bis an ihr Lebensende alimentieren. Die Projekte bringen erhebliche Leistungen durch Produkte und Dienstleistungen.“

-Arbeitsmarktpolitik hat im Bereich kultureller Projekte wichtige gesellschaftliche Aufgaben übernommen. Wie können diese Aufgaben in Zukunft wahrgenommen werden? Anja Blumenberg vom Netzwerk-Verbund: „Wir hatten zu unseren besten Zeiten in unseren 80 Projekten 500 bis 600 ABM- Stellen.“ Ein Gespräch zwischen Knigge und dem Netzwerk hat am Dienstag ergeben: Nicht eine ABM-Stelle wird in diesem Bereich neu vergeben.

-Im Bereich Weiterbildung sind alle Vollförderungen gestrichen worden. Wie kommen Arbeitslose an ihre Maßnahmen, wenn sie jetzt 30 Prozent der Kosten selbst tragen müssen? „Es gibt keine

Vollfinanzierungen mehr“, erklärte Hans Endl von der Angestelltenkammer.

Kurz: Der Ofen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik geht aus. Welchen Stellenwert das für den zweiten Bremer Arbeitsmarkt hat, erläuterte Renate Finnie, bei der Werkstatt Bremen für die BSHG-19-Projekte zuständig: „ Was wir hier am Leben zu halten versuchen, ist ohnehin nur ziemlich dürftig.“ mad

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen