Die fliegenden Schönen

■ Beruf Stewardess: Lächeln, Vertrauen einflößen, proper aussehen – ein Buch zu diesem weiblichen Traumberuf

„Das Problem ist nicht das weibliche Bedürfnis nach Abenteuern, sondern eine Gesellschaft, die Frauen normalerweise kein kreatives erfülltes Leben erlaubt.“ Diese grundsätzliche Erkenntnis klingt in bezug auf Stewardessen vermessen, doch nach der Lektüre ist nicht nur der mystifizierende Schleier von der schönen Miss „Tea or Coffee please“ genommen, sondern auch das Korsett sichtbar, das die scheinbar freien fliegenden Frauen einschnürt. Sie fliegen, um nicht ganz, sondern nur ziemlich frei zu sein.

Ariane Bentner stellt in ihrem Buch den noch jungen Beruf vor (laut Bundesanstalt für Arbeit handelt es sich um eine Anlerntätigkeit), der eng an die Entwicklung der modernen Luftfahrt gebunden ist. Bis 1937 waren in den Luftschiffen und Passagierflugzeugen weitgehend Männer als Köche und Stewards beschäftigt. In den achtziger Jahren sind bei der Deutschen Lufthansa ca. 10.000 Personen als FlugbegleiterInnen angestellt, davon etwa 7.600 Frauen.

Ein halbes Jahrhundert hat es gedauert, bis aus dem anfänglichen Männerberuf ein weiblicher „Traumberuf“ geworden ist. Geradezu beispielhaft läßt sich an den veränderten Aufgaben der Stewardessen das jeweils sich wandelnde normative Weiblichkeitsbild ablesen. Die Metamorphose verlief von den tapferen Ehekandidatinnen im Nationalsozialismus, den reizenden potentiellen Ehefrauen in den fünfziger Jahren, über die künstlichen Konstrukte aus Krankenschwester, Hausfrau und Schauspielerin zu den „Kulis im Jet“ im Zeitalter des Umbruchs der siebziger und achtziger Jahre. Oberste Gebote blieben jedoch immer: Lächeln, Vertrauen einflößen und Augenweide für die Passagiere sein; auf einen Nenner gebracht: „eine sexualisierte Atmosphäre hat sie zu schaffen, um den männlichen Passagieren die Flugangst zu nehmen“!

Die Serviceleistungen der dreißiger Jahre, als die Fliegenden noch „Gäste der Linie“ waren, werden den Reisenden der achtziger Jahre allenfalls noch in der exklusiven „Ersten Klasse“ angeboten. „Die Air-Hostess wird sich mit dir unterhalten, wenn du das Bedürfnis hast zu sprechen; sie wird dir sagen, welche Gegend das Flugzeug eben überfliegt; sie wird dir flugtechnische Auskünfte erteilen – und wenn dir beim Kreuzworträtsel der Name für den ,Gebirgszug in Österreich‘ fehlen sollte, so nennt sie dir vielleicht die Alpen ... Sie serviert die Bouillon am Morgen, den Tee am Nachmittag.“ Heute teilt sie ein Frühstück und ein Mittag- oder Abendessen aus. Daneben werden Präsenz (Vertrauen einflößen, Ängste abbauen), Betreuung (Service, Auskünfte, Bordverkauf), Repräsentation (Vorführung der Notausrüstung, Erste Hilfe, Evakuierung), Administrationsarbeiten (Verwaltungsaufgaben, Zollformalitäten, Abrechnungen) erwartet.

Der typische Frauenberuf (besonderes Kennzeichen: nur geringe Aufstiegsmöglichkeiten) ist gleichzeitig an entscheidender Stelle ein untypischer: Mit einem Monats(spitzen)gehalt von rund 4.000 Mark gehören Stewardesssen zu den weiblichen Mittelund Spitzenverdienerinnen (laut Für Sie verdient eine Pursette, also die Chefstewardess, etwa 90.000 Mark pro Jahr). Ob dies ein Anreiz ist oder die recht guten Aussichten auf ein kurzes Arbeitsleben (monatlich ca. 70 „Kabinenstunden“, bis maximal zum 40. Lebensjahr, dann Umsetzung oder Abfindung) – hier sind die Aussagen nicht eindeutig. Soziale und medizinische Folgen des permanenten Unterwegsseins werden vorgestellt. Zur letzteren, also zur Frage nach den gesundheitlichen Auswirkungen, liegen – überraschenderweise schwerpunktmäßig – Untersuchungen über das Cockpit- und nicht des Kabinenpersonals vor. Anna Gerstlacher

Ariane Bentner: „Durch die Welt zu fliegen und ziemlich frei zu sein: Beruf Stewardess“. Ulrike Helmer Verlag, Frankfurt/M. 1992, 35 DM