: Boris Becker erneut versandet
■ In Hamburg schieden Becker und Goellner im Achtelfinale aus
Hamburg (taz) – Der Mann, den ehedem sein Schicksal so sehr mit Boris Becker verbunden hatte, grantelt: „Vor Boris hat niemand mehr Respekt!“ Ihm fehle es zudem einfach an Beweglichkeit, wußte Günter Bosch, vormaliger Becker-Trainer und jetziger Kolumnist einer Sonntagszeitung, nach der 3:6, 4:6-Achtelfinalschlappe Beckers gegen den Münchner Bernd Karbacher bei den German Open am Hamburger Rothenbaum. Die Ursachen dafür waren schnell gefunden für den Coach, der nach der Trennung von Boris Becker weiterhin auf den zweiten großen Wurf hofft, auf einen, der den Stern des Trainers Bosch wieder in einem helleren Licht erscheinen läßt: „Meiner Meinung nach trainiert der Boris falsch.“
Der Nimbus von Boris Becker als Topspieler ist also dahin, glaubt man der Analyse von Günter Bosch, niemand betritt mehr mit Muffensausen den Centre Court, wenn auf der anderen Netzseite der Leimener Weltranglistenvierte wartet. Erst recht nicht, wenn die Begegnung auf Ascheplatz ausgetragen wird. Noch keinen Turniersieg konnte Becker auf diesem Belag verzeichnen. Das höchste der Gefühle für den Leimener waren bisher Finalteilnahmen, unter anderem am Rothenbaum.
Ein wenig resigniert wirkt Becker unterdes schon angesichts des ausbleibenden Erfolges im Sandkastenspiel: „Die sollen sich daran gewöhnen, daß ich auf Sand nicht gerade ein Genie bin“, äußerte sich der Tennisspieler zu seinem Problem und wehrt sich gegen die Unterstellung, er sei nicht fit genug für das schweißtreibende Geduldsspiel auf dem langsamsten der Tennisbeläge. An der Beweglichkeit kann es bei Boris Becker auch nicht gelegen haben, schließlich gewannen schon Spieler wie der Schweizer Marc Rosset, die über den Wendekreis eines Vierzigtonners verfügen, Sandplatzturniere. Mental, um es mal in Beckerscher Terminologie auszudrücken, hat er wohl die Schwierigkeiten. In Hamburg wurde der Schläger zu Boden geworfen, mit dem Schiedsrichter gezetert, sich selbst verflucht, nichts half. Ein spezieller Kick, wie ihn etwa John McEnroe aus solchen Aktionen bezieht, blieb aus. Es fehlte an der inneren Ruhe, an der Geduld abzuwarten, bis der Gegner einen Fehler macht oder man selbst die Gelegenheit hat, ihn mit einem Gewinn-Schlag zu düpieren. Die Bälle von Boris Becker versandeten, ihm gelangen nur 14 Winners. Trotzdem äußerte er sich nicht allzu geknickt auf der Pressekonferenz nach dem Spiel: „Meine Form macht Fortschritte, auch wenn es sich lustig anhört.“
Außer „Bum-Bum“ beendete auch „Baby-Bum-Bum“ (Bild) Marc-Kevin Goellner die Einzelkonkurrenz im Achtelfinale. Goellner unterlag Andrej Tschesnokow mit 1:6, 6:4 und 3:6. Ungestüm wie der richtige Bum-Bum, allerdings nicht mit einer Antrittsprämie von 500.000 Mark nach Hamburg gelockt, agierte der Neusser. „Marc hat zu wild gespielt“, resümierte so auch sein Trainer Andreas Maurer und führte dieses Manko auf die Jugend seines Schützlings zurück.
Mit seiner brachialen Vorhand versuchte Goellner, der unlängst das Sandplatzturnier in Nizza für sich entscheiden konnte, direkt zu punkten. „Als ich im letzten Satz schon 2:0 führte, habe ich wohl überdreht“, führte er selbst als Grund für sein Scheitern an und schien etwas genervt über die Becker-Vergleiche zu sein.
Lange Gesichter bei Hamburgs Schwarzhändlern vor dem Tennisgelände am Rothenbaum. Durch das Ausscheiden von Boris Becker, Marc-Kevin Goellner und dem Vorjahressieger Stefan Edberg im Achtelfinale befinden sich mit dem spanischen Sandplatzwühler Emilio Sanchez, dem Aufschlagmonster Richard Krajicek, dem Tennisoldie Ivan Lendl und dem Elmshorner Langweiler Michael Stich nur noch vier gesetzte Spieler im Turnier. Der Preisverfall für den ausverkauften Centre Court ist enorm. Kai Rehländer
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