: Serben ignorieren UNO-Schutzzonen
■ Belgrad erklärt Wirtschaftsboykott gegen bosnische Serben
Genf (taz) – Frust bei Clinton und schwere Enttäuschung bei den Muslimen in Bosnien. Nach der Ablehnung des Vance-Owen-Planes durch das selbsternannte „Parlament“ der bosnischen Serben hat sich der UNO-Sicherheitsrat lediglich darauf einigen können, zusätzlich zu Srebrenica weitere fünf symbolische „Schutzzonen“ auszurufen. Die serbischen Truppen zeigten sich erwartungsgemäß von dieser Entscheidung wenig beeindruckt und setzten gestern ihre schweren Angriffe insbesondere auf die muslimische Enklave Zepa fort. Moskau will vor Beschlüssen über weitere Maßnahmen das Ergebnis des vom bosnisch-serbischen Parlament angesetzten Referendums abwarten, das frühestens am 17. Mai vorliegen dürfte.
Von den jetzt insgesamt sechs „Schutzzonen“, mit einer vornehmlich muslimischen Geamtbevölkerung von rund einer Million Menschen sind fünf vollständig von serbischen Truppen eingekreist. Die seit April 92 belagerte Hauptstadt Sarajevo mit 380.000 Einwohnern steht unter sporadischem, aber heftigem Artilleriebeschuß. Gegen Bihać im Nordwesten, die mit 270.000 BewohnerInnen und Flüchtlingen größte muslimische Enklave Bosniens, führen Truppen aus den serbischen Gebieten Kroatiens seit Ende April schwere Angriffe. Dasselbe gilt für die mit 70.000, 49.000 und 40.000 Menschen nächstgrößten muslimischen Enklaven Goražde, Srebrenica und Zepa im Osten. Lediglich die Industriestadt Tuzla nebst umliegender Region ist noch durch einen schmalen Landkorridor mit dem von bosnischen Regierungstruppen kontrollierten Süden des Landes verbunden.
Die überwiegend mit der Begleitung von Hilfskonvois befaßten rund 8.000 UNPROFOR-Soldaten, die derzeit in Bosnien stationiert sind, sind nicht in der Lage, die „Sicherheitszonen“ durchzusetzen. Zu einer Stationierung der hierzu benötigten Truppenkontingente bestand im Sicherheitsrat keine Bereitschaft. Er beschloß lediglich die Entsendung von 50 Militärbeobachtern. Die serbischen Truppen werden in der Resolution aufgefordert, ihre Angriffe umgehend einzustellen und ihre Truppen aus den sechs „Sicherheitszonen“ abzuziehen. Im Falle einer Weigerung behalte sich der Sicherheitsrat die Entscheidung über nicht näher spezifizierte weitergehende Maßnahmen vor, heißt es in der Resolution.
Die Entscheidung sei „keine Antwort auf die Leiden der Bevölkerung“, betonte der neuseeländische UNO-Botschafter Terence O'Brien nach der Sitzung des Sicherheitsrates. Sein venezuelischer Amtskollege Diego Arria erklärte, es gebe in dem Gremium „derzeit keine Bereitschaft, über diesen Beschluß hinauszugehen“. Vor der Entscheidung hatte es im Sicherheitsrat eine von Teilnehmern als konfus und konträr beschriebene Debatte gegeben. Die fünf nicht paktgebundenen Staaten blieben allein mit ihrer Forderung nach weitergehenden Maßnahmen. Moskaus Botschafter Yuri Worontsow schlug die Abriegelung der Grenze zwischen Bosnien und Serbien durch UNO-Soldaten vor. Zuvor hatte Belgrad als Reaktion auf die Weigerung der bosnischen Serben, den Friedensplan zu akzeptieren, einen Boykott verkündet. Man werde den Serben in Bosnien außer Medikamenten nichts mehr liefern. Dafür erwartet Belgrad eine Aufhebung des Embargos gegen Restjugoslawien. azu Siehe Seiten 8 und 10
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