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Greenpeace wird schlanker und härter

Das Jahr 1992 war erfolgreich / Etat soll aber bis 1994 von 73 auf 60 Millionen Mark sinken / Stellenabbau und Kürzungen für Greenpeace International / Kampagne für das 2-Liter-Auto  ■ Aus Hamburg Vera Stadie

Die Umweltorganisation Greenpeace Deutschland blickt trotz Rezession auf ein politisch und finanziell erfolgreiches Jahr 1992 zurück. Geschäftsführer Thilo Bode sagte gestern in Hamburg, der FCKW/FKW-freie Öko- Kühlschrank habe nach zähem Kampf mit der deutschen Industrie durchgesetzt werden können. Gleichzeitig seien die Einnahmen von Greenpeace 1992 noch einmal um 1,5 Millionen Mark auf 68 Millionen Mark gestiegen. Die Zahl der Förderer sei ebenfalls gestiegen, im vergangenen Jahr hätten 512.000 Menschen regelmäßig gespendet. „Damit wurden unsere Erwartungen übertroffen. Überall geht's zurück, wir haben sogar noch zugelegt“, freute sich Bode.

In den kommenden Jahren will Greenpeace aber finanziell kürzer treten. Der Etat, der 1992 noch 73 Millionen Mark betrug, soll bis 1994 auf 60 Millionen Mark zurückgefahren werden. Auf die Rücklagen soll anders als 1992 und 1993 nicht mehr zurückgegriffen werden. Greenpeace erwartet trotz Wirtschaftskrise Spenden von 60 Millionen Mark.

Um mit dem reduzierten Budget auskommen zu können wird Greenpeace bis zur Jahresmitte 18,5 von seinen rund 130 Stellen abbauen. Die Nordsee- und die Fischerei-Kampagne werden stillgelegt. Bei den Investitionen könne gespart werden, und als „Melkkuh“ für die internationalen Greenpeace-Aktivitäten wird Greenpeace Deutschland weniger Milch geben. „Wir finanzieren gegenwärtig etwas mehr als 50 Prozent des Budgets von Greenpeace International.“ 1992 zahlte Greenpeace 29 Millionen für die internationalen Kampagnen, 1994 sollen es noch 19,5 Millionen Mark sein.

Für die internationalen Kampagnen wird es damit eng. In den USA hatte es nach Greenpeace' Kampagne gegen den Golfkrieg schon weniger Spenden gegeben. „Und in Japan und Norwegen haben wir ohnehin Probleme“, so Sprecher Fouad Hamdan.

Schornsteinbesteigungen und spektakuläre Schlauchbootaktionen stehen bei Greenpeace kaum noch auf der Tagesordnung. Zwar bleibe Konfrontation das „strategische Hauptmittel“, wie Bode betont, aber eine Schornsteinbesteigung sei heute ein reiner „Routine- Zirkusakt“ und nicht unbedingt Konfrontation. Greenpeace wendet sich statt dessen eher den Produkten der Industrie zu. Den erfolgreichen FCKW/FKW-freien Kühlschrank hat eine Greenpeace- Delegation im April sogar in China und Japan vorgestellt und ist dort auf großes Interesse gestoßen, berichtete Wolfgang Lohbeck gestern.

Daß Greenpeace auf „Schmusekurs“ mit der Industrie sei, bestritt Geschäftsführer Bode vehement. Durch die Betonung des Dialogs mit der Industrie sei wohl ein falscher Eindruck entstanden. „Nur wenn wir Druck machen, reden die Verantwortlichen mit uns – und verändern ihre Positionen“, so Bode jetzt. Derzeit drängt Greenpeace in die Vorzimmer deutscher Automobil-Hersteller, will sie wegbringen vom „spritfressenden Monstrum“. Der Bau von Autos, die nur zwei Liter auf 100 Kilometer verbrauchen, sei technisch keine Schwierigkeit mehr“ erklärt Bode die neu gestartete Zwei-Liter-Kampagne von Greenpeace. Weiterer Schwerpunkt der Greenpeace-Arbeit ist 1993 der Ausstieg aus der Atomenergie, der Verzicht auf die gefährliche Wiederaufbereitung und die Nichtinbetriebnahme der Endlager Morsleben und Schacht Konrad.

Gerade jetzt seien Umweltorganisationen von entscheidender Bedeutung, so der Greenpeace-Geschäftsführer, denn „wir erleben ein umweltpolitisches Rollback“. Die Parteien stiegen aus der Umweltdiskussion aus, die Industrie fordere eine umweltpolitische Pause. „Die entscheidenden ökologischen Fragen – Wachstum und internationaler Handel – werden von den Parteien heute nicht mehr beantwortet.“ Selbst die Grünen hätten umweltpolitisch nichts mehr zu bieten, keine langfristigen Konzepte.

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