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Wettbewerb der Prognosen

■ Unveröffentlichte Studie belegt volkswirtschaftlichen Nutzen der Olympischen Spiele, der zu Lasten des Landeshaushaltes geht / Senatsargumente "unplausibel"

Berlin. Als jüngst die Prüfungskommission des Internationalen Olympischen Komitees in Berlin weilte, strahlte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen noch Zuversicht aus: „Unsere Pläne sind fertig, lassen sich realisieren, sind gleichzeitig finanziell gesichert und versprechen sogar einen Gewinn.“ Unbeantwortet ließ Diepgen allerdings die entscheidende Frage, wer diesen Gewinn kassiert. Darüber gibt nun eine Studie Auskunft, welche die „IfS- Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung“ (IfS-GIB) im Auftrag der Olympia GmbH erstellte. Die bislang unveröffentlichte Analyse kommt zu dem Ergebnis, daß die Spiele einen Gesamtnettonutzen zwischen 2,182 und 3,655 Milliarden Mark haben werden. Diese volkswirtschaftliche Kalkulation umfaßt alle Kosten und Erlöse, die direkt oder mittelbar durch die Spiele verursacht werden. Die Analyse geht damit über die betriebswirtschaftliche Studie hinaus, die der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig im Oktober 1992 im Auftrag der Olympia GmbH erstellte. Maennig, der nur die unmittelbaren Kosten und Erlöse gegenüberstellte, errechnete ein Plus von 190 Millionen Mark für die Berliner Olympiabetreiber. Diese Summe muß die Olympia GmbH nun erheblich nach unten korrigieren. Denn die IfS-GIB kommt zu dem Ergebnis, daß die Nettopositionen aus den direkten Kosten und Erlösen im wahrscheinlichsten Fall aller Rechenvarianten ein Minus von 245 Millionen ausweisen werden. Berücksichtigt man die zu erwartende Baupreisinflation, so beträgt die Summe, die das Land zur Deckung des Defizits aufbringen muß, sogar 614 Millionen Mark. Allerdings würde, so die Autoren, mit den Spielen ein „Nutzen in Form von Einkommenseffekten sowie Freizeit- und Erlebnisnutzen“ erzeugt, der die eingesetzten Staatsmittel um mehr als das Fünffache übertreffe.

Die Studie versucht auch die Bedenken zu zerstreuen, wonach die Olympia-Investitionen zu einer Überhitzung des Kapital- und des Baumarktes führen werden. Angesichts eines bundesweiten Emissionsvolumens von festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von 572 Milliarden Mark im Jahr 1992 sei selbst dann kein fühlbarer Zinseffekt zu erwarten, wenn die gesamten olympiabedingten Kosten von 6,7 Milliarden Mark über diesen Markt refinanziert würden. Auch bei den Baumaßnahmen kommt die Studie zu dem Ergebnis, daß die Mehrbelastungen „kaum ausreichen, um als gravierendes Argument gegen eine Realisierung der Olympiabauten zu gelten“. Die IfS-GIB geht davon aus, daß gegenwärtig allein in den Bezirken Mitte und Tiergarten fast drei Millionen Quadratmeter Bürofläche, 600.000 Quadratmeter Handelsfläche und 300.000 Quadratmeter Hotel- und Kulturbauten im Vorbereitungsstadium sind. Nach ihrer Einschätzung sind „Investitionen dieser Größenordnung mitten in einer voll genutzten Innenstadt bisher nirgends bewältigt worden“. Gemessen an dieser Summe von Neubauvorhaben erreichen, laut Studie, „die angrenzenden Olympiabauten eine Größenordnung von allenfalls zehn Prozent des ohne die Olympischen Spiele realisierten Bauvolumens.

Allerdings rechnet die IfS-GIB zu diesem „Olympiavolumen im engeren Sinne“ nur die 1,9 Milliarden Mark „zusätzliche Investitionen, die ohne Olympische Spiele nicht gebaut würden“. Der weit größere Teil von acht Milliarden Mark geht nicht in diese Belastungsberechnung ein, da die IfS- GIB auf die Ankündigung des Senats vertraut und davon ausgeht, daß diese Baumaßnahmen auch ohne die Olympischen Spiele realisiert würden, es sich folglich nur um „vorgezogene Investitionen“ handelt.

Überwiegend skeptisch beurteilt die Studie die von den Olympiabefürwortern immer im Mund geführte Katalysatorenfunktion der Spiele für die Entwicklung Berlins. So sei der häufig angeführte Verweis auf das Beispiel der Spiele in München 1972 wenig tauglich, da die Bayernmetropole damals mindestens ebensoviel vom allgemeinen Strukturwandel profitierte. Auch die Annahme, daß durch die Spiele der Hauptstadtumzug beschleunigt werde, sei „mindestens so wahrscheinlich wie das Gegenteil“. Unplausibel sei auch die These, die Spiele könnten dazu dienen, die Bevölkerung in Richtung auf langfristige Entwicklungsziele zu mobilisieren.

Auch die von der Olympiade ausgehende Werbewirkung für die Region habe ihre „Tücken“. Denn „auf dem Hintergrund der Olympiade 1936 und der wiedererwachten rechtsradikalen Bewegung in der Bundesrepublik, aber auch der wachsenden Kritik an der Kommerzialisierung der Olympischen Spiele, muß mit außerordentlich kritischen Attitüden, ja sogar mit ausgeprägten Ressentiments vor allem der ausländischen Berichterstatter bei Olympischen Spielen in Berlin gerechnet werden“. Dieter Rulff

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