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Andreottis Immunität aufgehoben

■ Große Mehrheit im Senat für die vom Christdemokraten Andreotti selber geforderte Maßnahme / "Wer mich verleumdet, wird dafür zahlen müssen" / Wird die parlamentarische Immunität abgeschafft?

Rom (AFP/dpa) – Der italienische Senat hat gestern mit großer Mehrheit die parlamentarische Immunität des ehemaligen christdemokratischen Regierungschefs Giulio Andreotti aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft von Palermo hatte dies wegen der mutmaßlichen Verwicklung Andreottis in Mafia-Aktivitäten gefordert. Zuvor hatten sich in einer mehrstündigen Debatte die meisten Redner für die Aufhebung der Immunität des 74jährigen Politikers ausgesprochen. Auch Andreotti selbst hatte die Aufhebung seiner Immunität gefordert. Bei der öffentlichen Abstimmung gab es nur wenige Enthaltungen.

Zuvor hatte Andreotti vor dem italienischen Senat bekanntgegeben, er habe trotz seiner parlamentarischen Immunität bereits am vergangenen Freitag vor den Ermittlungsbehörden in Palermo ausgesagt. Andreotti betonte, er habe in Palermo erneut alle Beschuldigungen zurückgewiesen, die von geständigen früheren Mafia-Mitgliedern gegen ihn erhoben werden. Die Ex-Mafiosi werfen dem Politiker vor, zugunsten von Mafia-Bossen in Verfahren der Ermittlungsbehörden eingegriffen zu haben. Ferner soll der frühere Ministerpräsident persönliche Kontakte zu dem inzwischen festgenommenen Mafia-Boß Toto Riina gehabt haben. Der christdemokratische Politiker ist Senator auf Lebenszeit.

Andreotti (74) beteuerte in seiner fast einstündigen Rede vor dem Senat seine Unschuld. Die Anschuldigungen seien „vollständig und ausnahmslos falsch“ und beruhten auf „ungeheuerlichen Behauptungen und Erfindungen“ von pentiti (reuigen, aussagewilligen Mafiosi). „Ich kenne niemanden aus der Welt des Verbrechens und habe nie in meinem Leben jemand aus dieser Welt gekannt“, sagte Andreotti. Er sei Opfer einer „teuflischen Kampagne des Hasses“. Es habe ihn tief verbittert, wie er von Teilen der Öffentlichkeit ohne Prüfung der Anschuldigungen bereits vorverurteilt worden sei. „Wer mich verleumdet, wird dafür zahlen müssen“, sagte Andreotti.

Italiens Parlamentarier sind derweil dabei, die Immunität der Volksvertreter ganz abzuschaffen. Gestern stimmten 489 Abgeordnete der Kammer in Rom bei nur drei Gegenstimmen und sechs Enthaltungen für eine vollständige Tilgung des Schutzes vor juristischen Verfahren. Nun muß auch die zweite Kammer des italienischen Parlaments, der Senat, der Verfassungsänderung zustimmen.

Am Mittwoch morgen war der Präsident der italienischen Staatsholding IRI, Franco Nobili, wegen Korruptionsverdachts verhaftet worden. Nobili gilt als enger Vertrauter Andreottis.

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