piwik no script img

Der Tanz auf der Tonne

■ "oh(-)macht-phantasien" und "Im Prinzip" auf Kampnagel

und Im Prinzip auf Kampnagel

Er habe immer geglaubt, es gäbe in Hamburg keinen Nachwuchs bei Tanzgruppen, sagte Kampnagel-Leiter Hans Man in't Veld bei der Vorstellung des Programms der Jungen Hunde im Mai. Um so erstaunter sei er über den hohen Standard seiner Fundstücke gewesen. Die Choreografien oh(-)macht-phantasien von Victoria Hauke und Im Prinzip von Martin Stiefermann hatten am Donnerstag Premiere.

Den Abend eröffneten die beiden Tänzerinnen Victoria Hauke und Aliksey Schoettle. Ihre Produktion wirkt tänzerisch überzeugend, erzählerisch aber oft brüchig. Beginnend im Dunkel, erklimmt Schoettle ein Kletterseil und stiert von dort aus verträumt in die Leere, während Hauke kämpft, mit sich, unsichtbaren Kräften und einer mit Aluminiumfolie bezogenen Mülltonne. Zeitweise in völliger Abstraktion von der Stimmung tanzt Hauke romantische, wilde, abrupte und fließende Passagen. Nach einem langen Solo erwacht die Träumerin langsam aus ihrem sedierten Zustand und schenkt der Tänzerin Beachtung. Sie klettert vom Seil und beginnt ihrerseits vorsichtig ein Solo.

Gemäß ihrer tänzerischen Herkunft — Hauke hat bei Rui Horta gelernt, Schoettle kommt aus dem Neumeier-Ensemble — gestalten sich die beiden Soli hier impulsiver und dort eher artifiziell. Dabei dienen die beiden Mülltonnen, die einzigen Requisiten, bald als Schutz, bald als Waffe, sodann als Hindernis, dann als sinnliches Instrument. Aus dieser Energie könnte sicherlich eine noch überzeugendere Arbeit entstehen.

1Die zweite Produktion, Im Prinzip, lieferte dann Neumeierschen Totemismus hübsch nachgearbeitet in klein. Wasser in allen Erscheinungsformen wurde von dem Tänzer und den drei Tänzerinnen in größtmöglicher Erhabenheit ausgetanzt. Unterwasser bei ruhiger und stürmischer See, draußen bei Regen oder einfach das Element selbst sein, so lauteten offensichtlich die Aufgaben, die zu bewältigen waren.

1Der Motor aus Wassermusik mit gesampleten Orginalklängen und Wassertanz mit gesammelten Originalneumeiereien bewegte sich hypnotisch langsam und bald doch eher zäh voran. Auch hier bestach die formale Akuratesse. Doch Martin Stiefermann sollte sich gewahr bleiben, wo sich ein Vorbild erschöpft und wo die Kraft eher aus Fehlern erwächst. Till Briegleb

Kampnagel, Halle 2, heute 19 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen