Die freie Wissenschaft ist auch frauenfrei

■ Umstrukturierung der Osthochschulen geht zu Lasten der Wissenschaftlerinnen / HUB hat den geringsten Frauenanteil

Berlin. Die Karriere von Britta Baume schien gesichert – nach Abschluß ihres Forschungsstudiums ging sie für ein Jahr nach Moskau und erhielt nach ihrer Rückkehr eine auf vier Jahre befristete Assistentinnenstelle an der Sektion Germanistik der Humboldt-Universität (HUB). „Wenn es die DDR weiter gegeben hätte, wäre ich danach auf jeden Fall unbefristet übernommen worden“, sagt sie. So aber war der Tag im Sommer 1991, an dem sie ihre Dissertation verteidigte, der erste Tag ihrer Arbeitslosigkeit.

Sie ist nur eine von vielen Frauen an den Hochschulen im Ostteil Berlins, zu deren Lasten umstrukturiert wird. Seit November 1989 verringerte sich der Frauenanteil beim gesamten wissenschaftlichen Personal von 36 auf 33 Prozent. Angesichts der Halbierung des gesamten Personals bedeutet das, daß mehr als die Hälfte der Frauen gehen mußten.

Nicht nur bei den Neuberufungen sind sie unterrepräsentiert. Von den bis Ende März ergangenen 312 Berufungen ergingen nur 40 an Frauen, was einem Anteil von etwa 13 Prozent entspricht. Bei den hochdotierten C4-Stellen verringert sich ihr Anteil noch auf sieben Prozent. Dabei sind 17 Prozent der in der ehemaligen DDR Habilitierten weiblichen Geschlechts. Die größte Hochschule im Berliner Osten hat damit den geringsten Frauenanteil bei ProfessorInnen überhaupt. Sie liegt zwar über dem Wissenschaftlerinnen-Durchschnitt der Universitäten im Westteil, der meist unter zehn Prozent liegt. „Aber alles unter 50 Prozent ist noch nicht super“, sagt Susann Morgner, Pressesprecherin der HUB.

Auch die Umstrukturierung des Mittelbaus trifft Frauen besonders hart. Ihr Anteil an den ehemals unbefristeten und auf die Lehre ausgerichteten Stellen wird auf 40 Prozent geschätzt. Vor der Wende konnten promovierte Frauen in der DDR eine Lebensstellung im Mittelbau einnehmen, die nicht wesentlich schlechter bezahlt war als eine Professur. Heute sind sie gezwungen zu habilitieren, wenn sie an der Uni bleiben wollen. Für viele Wissenschaftlerinnen, die Kinder und Familie versorgen, ist das eine unlösbare Aufgabe. Eine Studie des Zentrums für interdisziplinäre Frauenforschung (ZiF) an der HUB zeigt, daß ein Drittel der aus ostdeutschen Hochschuleinrichtungen Ausgeschiedenen heute nicht mehr erwerbstätig ist. Frauen sind dabei doppelt so häufig arbeitslos wie ihre männlichen Kollegen. Für fast alle bricht ihre wissenschaftliche Laufbahn abrupt ab.

Die Charité ist in den oben genannten Zahlen nicht mitgerechnet. Sie berief bislang keine einzige Frau. Für die 108 zu besetzenden Professuren wurden bislang 38 Rufe ausgesprochen, alle an Wissenschaftler männlichen Geschlechts, obwohl sich unter den insgesamt 712 Bewerbungen 40 Frauen befanden. „Das war keine Bösartigkeit, die wußten einfach nichts von den Antidiskriminierungsgesetzen“, sagt die seit Januar amtierende Frauenbeauftragte Gudrun Lewin. Doch auch bei den zehn weiteren Berufungslisten, die derzeit beim Wissenschaftssenator liegen, ist keine Frau auf dem ersten Platz.

Selbst die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) kann mit 7 berufenen Frauen von 38 Berufungen einen höheren Frauenanteil verbuchen. Und das, obwohl die für Berufung vorausgesetzte Kombination von Wissenschaft und Praxis in einem Männerfach aber eine doppelte Barriere bedeutet. Am besten schneiden die kleinen künstlerischen Hochschulen ab. Die Kunsthochschule Berlin hat zwar nur vier von 29 Professuren mit Frauen besetzt. „Mehr hatten wir vorher auch nicht“, so die stellvertretende Frauenbeauftragte Barbara Müller. Sie ist jedoch optimistisch, daß sich das Verhältnis verbessern wird, wenn die ausstehenden 12 Berufungen ausgesprochen sind. Die Schauspielschule Ernst Busch ist die einzige, wo Frauen auch in den hochdotierten C4-Stellen vertreten sind. Corinna Raupach