■ Press-Schlag: Rasender Diego
„Es ist ein Jammer“, klagte ein Mannschaftskamerad von Diego Maradona beim FC Sevilla, „endlich will er mal trainieren und dann nehmen sie ihn fest.“ Urplötzlich, so scheint es, war der Fußballheros vom unwiderstehlichen Wunsch befallen worden, eine Trainingseinheit zu absolvieren. Dummerweise ein wenig spät, aber das sollte ihn nicht hindern. Tatendurstig schwang er sich in seinen Porsche, trat das Gaspedal durch und bewegte sein goldenes Füßchen fortan nicht mehr, um es für die Strapazen der vermeintlich folgenden Übungsstunde zu schonen. Fünf rote Ampeln habe er einfach ignoriert, erklärte später die Polizei, seine Geschwindigkeit im Stadtzentrum Sevillas habe 150 Stundenkilometer betragen. Der trainingshungrige Ballzauberer wurde gestoppt und war empört: „Mit zwei Pistolen oder Maschinengewehren, was weiß ich. Sie haben mich wie einen Verbrecher behandelt. Nur wenn man bei Rot über eine Ampel fährt, brauchen sie einem doch nicht das Auto von oben bis unten zu durchsuchen.“ Die Polizisten rechtfertigten ihr Vorgehen damit, daß Maradona keinerlei Ausweispapiere bei sich trug, eine Aussage, die der Argentinier lächerlich fand: „Ich bin doch Maradona, ich brauche das nicht.“ Womit er, auch wenn er sich in letzter Zeit auf dem Fußballfeld mitunter recht unauffälig bewegte, natürlich völlig Recht hat.
Für allzu lange Zeit müssen sich die Ordnungskräfte Sevillas Maradonas Konterfei allerdings nicht mehr einprägen. Am Ende der Saison wird er den Verein definitiv verlassen, nachdem ihm, so Maradona, kein Angebot für ein weiteres Jahr unterbreitet worden war. Die Investition hat sich für den FC Sevilla kaum gelohnt. Nach einer kurzen Anfangsphase der Euphorie gingen die Zuschauerzahlen wieder zurück, sportlich ist ein UEFA- Cup-Platz unwahrscheinlich. Zwar versah Maradona die ansonsten recht biedere Mannschaft mit spielerischem Glanz, konnte aber nur selten zur entscheidenden Figur werden. Zudem wurde er schnell zum Gegenstand heftiger Polemiken und zum bevorzugten Objekt der Verfolgung für einige Schiedsrichter und die Disziplinarkommission des Fußballverbandes. Mehrere absurde Urteile der Kommission gegen ihn wurden in zweiter Instanz gemildert oder aufgehoben.
Entgegen seiner ursprünglichen Absicht, nach Buenos Aires zu den Boca Juniors zurückzukehren, erklärte Maradona letzte Woche, daß er am liebsten noch ein Jahr in Europa spielen wolle. Der Argentinier hat ziemlich genaue Vorstellungen, wie sein neuer Verein beschaffen sein soll: „Für mich ist weder der Klub wichtig noch die Liga, in der er spielt. Mich interessiert nur, daß es eine Mannschaft ist, die dreimal die Woche trainiert, nicht mehr.“ Wir empfehlen einen netten Dorfverein irgendwo in der Nähe des Nürburgringes.Matti
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