: „Auch Ossis haben ein Recht auf ihr Eigentum“
■ Bürgerinitiative „Reihenhaussiedlung Adlershof“ wehrt sich gegen die Rückgabe von 352 Häusern an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
Treptow. Seit 30 Jahren schon lebt das Rentnerehepaar Christa und Alfred Gärtner in einem der 352 Häuser der Reihenhaussiedlung Adlershof. Zu DDR-Zeiten investierten sie viel Zeit und Geld in den Bodenausbau und den Einbau einer modernen Heizanlage – kurz, sie hielten das Haus instand. Im April 1990 dann kauften sie das Haus mit kleinem Garten und Terrasse. Jetzt aber müssen sie um ihr Häuschen in der grünen und ruhigen Siedlung bangen. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) nämlich, die sich als Rechtsnachfolger der ehemaligen Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) versteht, hat Ansprüche auf die in den 30er Jahren erbaute Siedlung erhoben. Aber die 61jährige Christa Gärtner und ihr 68jähriger Mann wollen sich zusammen mit anderen Betroffenen zur Wehr setzen. Damit Christa Gärtner nachts wieder schlafen kann und die „unerträgliche Ungewißheit“ ein Ende findet, ist das Ehepaar am Samstag vormittag einem Aufruf der Bürgerinitiative „Reihenhaussiedlung Adlershof“ gefolgt. Gut 200 DemonstrantInnen haben sich – nur wenige Minuten von der Siedlung entfernt – an der stark belebten Kreuzung Adlergestell/Dörpfeldstraße direkt an der S-Bahn Adlershof eingefunden. In ihrem Aufruf fordert die Bürgerinitiative die Umkehrung des Prinzips Rückgabe vor Entschädigung. Außerdem sollen die auf gesetzlicher Grundlage zustande gekommenen Kaufverträge unabhängig vom Termin ihres Abschlusses anerkannt werden. Besonders wichtig ist ihnen die „Anerkennung jenseits willkürlich festgelegter diskriminierender Stichtagsregelungen“. Gemeint ist der 18. Oktober 1989, dem Datum von Honeckers Rücktritt. Nach Angaben von Reinhold Kruppa, dem Vorsitzenden der BI, wurden ungefähr 30 Prozent der Siedlungshäuser bereits zu DDR-Zeiten mit unbefristetem Nutzungsrecht käuflich erworben. Fast die Hälfte der Häuser wurden jedoch erst unter der Regierung Modrow gekauft, also nach dem im Einigungsvertrag festgelegten „Stichtag“. Der ehemalige Geschichtslehrer spricht sich entschieden gegen die „willkürliche Handhabung des Besatzungsrechts“ aus: „Auch Ossis haben ein Recht auf ihr Eigentum.“ 28 Bundestagsabgeordnete hat die Bürgerinitiative angeschrieben. Als einen „Teilerfolg“ wertet sie die parlamentarische Anfrage eines Treptower CDU-Politikers an die Bundesregierung, die sich nun mit ihrem Problem beschäftigen muß: Ist die BfA der Rechtsnachfolger der RfA, die 1937 alle Häuser kaufte? Unterstützung erhält die BI auch vom ehemaligen PDS- Vorsitzenden Gregor Gysi und Angelika Barbe von der SPD. Für wenige Sekunden blockieren die DemonstrantInnen mit einem großen Transparent die Kreuzung. Sie denken im Traum nicht daran, dem Rat eines Treptower SPD-Politikers zu folgen und von spontanen Protestaktionen Abstand zu nehmen. Im Gegenteil. Begeistert wird der Vorschlag aufgenommen, demnächst vielleicht direkt vor dem Gebäude der BfA zu demonstrieren. Auch das Ehepaar Gärtner ist fest entschlossen, „unter Ausschöpfung aller rechtlichen und politischen Möglichkeiten“ entschieden Widerstand zu leisten. Auch wenn Alfred Gärtner in einem – wie er es selbst sarkastisch sagt – „unredlich erworbenen Haus“ lebt, will er sich nicht verdrängen lassen. „1945 mußte ich als Sudetendeutscher schon einmal ein Haus verlassen. Ein zweites Mal nicht.“ Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen