piwik no script img

Respekt vor Engholms Leistungen

Beim Kieler Landesparteitag der SPD mußten sich weder Ex-Landeschef Björn Engholm noch Ex-Sozialminister Günther Jansen kritische Fragen der Genossen gefallen lassen  ■ Aus Kiel Kerstin Kampe

Der Schmusekurs von Björn Engholm hat die SPD in Schleswig-Holstein nachhaltig geprägt. Nicht nur, daß sich die Genossen auf dem Landesparteitag in Eckernförde ständig mit Küßchen auf der rechten und linken Wange, begrüßten und bedankten. Auch das erwartete Hauen und Stechen nach den Rücktritten von Björn Engholm als Ministerpräsident, SPD-Bundesvorsitzender und Kanzlerkandidat sowie Günther Jansen als Sozialminister ist am Wochenende ausgeblieben. Und das, obwohl im Vorfeld viele Mitglieder auf Kreisversammlungen ihrer Wut, Enttäuschung und ihrem Zorn freien Lauf gelassen hatten.

„Es lag wohl an dem Respekt vor den Leistungen der beiden Spitzengenossen, daß sich kaum jemand traute, ihnen die Kritik direkt ins Gesicht zu sagen, und an der geschickten Regie des Landesvorstandes“, meinte eine Delegierte. Björn Engholm, der Anfang Mai zugegeben hatte, vor dem ersten Barschel-Untersuchungsausschuß 1987 die Unwahrheit gesagt zu haben, und Günter Jansen, der nach seinen Angaben aus eigener Tasche der Schlüsselfigur der Barschel-Affäre, Reiner Pfeiffer, rund 40.000 Mark gezahlt hatte, waren nämlich am Wochenende zum Parteitag ins Ostseebad angereist, um sich den Fragen der Mitglieder zu stellen.

Doch die schienen sich nach den vorbereitenden Reden vom Landesvorsitzenden Willi Pieczyk und seiner Stellvertreterin Gisela Böhrk wohl nicht mehr so recht zu trauen. Willi Pieczyk erklärte zu Engholm, „der beliebteste und erfolgreichste deutsche Politiker der Gegenwart hat für die Korrektur eines Fehlers einen sehr, sehr hohen Preis zahlen müssen.“ Und mit Günther Jansen sei ein erfolgreicher Sozialminister, der als Parteivorsitzender viele geprägt habe, gegangen. Zwar beherrschten die politischen Fehler der beiden die Gespräche der GenosseInnen am Rande des Parteitages, aber konkreten Fragen und harter Kritik mußten sich die beiden nicht stellen. Schließlich hatte die stellvertretende Landesvorsitzende und Frauenministerin Gisela Böhrk gar zu Beginn des Parteitages angemahnt: „Wir sind zwar keine Gemeinde von Heiligen, aber in unserer Partei kennen wir auch keine mittelalterlichen Pranger.“ Und nach dem Auftritt von Johannes Rau, der die Partei zu Geschlossensheit und Zuversicht aufrief, schien der Bann endgültig gebrochen. – Nach Raus Rede ist Heide Simonis mit einer nicht erwarteten überwältigenden Mehrheit mit 178 Stimmen von 186 Delegierten bei sechs Neinstimmen und einer Enthaltung zur Ministerpräsidentin nominiert worden.

Der gesellige Parteiabend geriet sogar zu einem Mittelding aus Abschieds- und Danksagungsfeier für die beiden Spitzengenossen – einen halben Meter hohe, rote Buchstaben schmückten die Wand: „Danke, Björn! Danke, Günther!“

Dennoch wurde der Rücktritt von Björn Engholm auch als eine Chance für die Anknüpfung an alte SPD-Traditionen in Schleswig-Holstein gesehen. Immerhin galt die SPD im Norden unter Männern wie Jochen Steffen als einer der progressivsten Parteiverbände in der alten Bundesrepublik. „Wir müssen wieder weg davon, die Programmatik zugunsten von Personen zurückzustellen“, erklärte der Delegierte Konrad Nabel. „Back to the roots“, so könnte das inoffizielle Motto des Parteitages gelautet haben. In der einstimmig verabschiedeten Eckernförder Erklärung, wurde dann auch gefordert, daß Profil der schleswig-holsteinischen SPD als linke Volkspartei zu schärfen.

Und doch, am Sonntag gab es dann einen kleinen Denkzettel für das mangelnde Krisenmanagement in der SPD-Führungsspitze. Landesvorsitzender Willi Piecyk, der zur Wiederwahl ohne Gegenkandidat antrat, bekam ein weit schlechteres Ergebnis als vor zwei Jahren. Von den Delegierten stimmten 122 für ihn, 48 gegen ihn, 14 enthielten sich; zwei Stimmen waren ungültig.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen