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Absolut unvernünftig - aber lukrativ

■ IG-Metall-Chef Steinkühler bedauert den Erwerb von Mercedes-Holding-Aktien, weist aber den Vorwurf des "Stern" zurück, Insiderwissen ausgenutzt zu haben / Gelohnt jedenfalls hat sich's

Berlin/Hamburg (taz/AP) – Franz Steinkühler liebt gute Kleidung, teure Zigarren, schnelle Autos und exklusive Feinschmeckerlokale. Daß der Boß der größten deutschen Gewerkschaft sich den gehobenen Konsum sogar leisten kann, stößt öfter mal auf Neid an der Basis – ein Gefühl, gegen das auch Bankbeschäftigte offensichtlich nicht immun sind: Wie sonst hätte der Stern sämtliche Bewegungen auf dem Depot Nummer 7073573800 bei der BfG-Bank in Frankfurt nachvollziehen sollen?

Nach dem Bericht des Sterns hat Steinkühler in der Zeit vom 18. März bis 1. April dieses Jahres insgesamt 2.100 Aktien der Mercedes-Holding MAH für zusammen 998.406,21 Mark für sich und seinen minderjährigen Sohn Dominik erworben. Eine gewinnträchtige Investition – denn ihr Wert stieg am 2. April sprunghaft um 84,50 Mark auf 575 Mark je Aktie. Das größte Aktienpaket, 1.000 Stück zum Preis von 496.256,30 Mark hatte der IG-Metall-Vorsitzende für seinen Sohn erst am 1. April 1993 gekauft.

An diesem Tag begann eine Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler Benz AG, an der Steinkühler als Arbeitnehmervertreter teilnahm. Am Ende des zweiten Sitzungstages, am 2. April 1993, informierte der Vorstand der Daimler- Benz AG den Aufsichtsrat darüber, daß die MAH-Aktien zum Jahresende im Verhältnis eins zu eins in Daimler-Benz-Aktien getauscht werden sollen. Der Clou daran: Der Kurs der MAH-Aktie lag zu diesem Zeitpunkt deutlich unter dem der Daimler-Aktie, und jedem war klar, daß die Bekanntgabe des 1:1-Tausches den Kurs der MAH-Aktie an der Börse sofort in die Höhe treiben würde.

Der Kauf von 1.000 Aktien genau am Tag vor der Bekanntgabe legt somit den Schluß nahe, daß Aufsichtsrat Steinkühler schon am 1. April davon gewußt und damit Insider-Wissen zum eigenen Vorteil ausgenutzt hat. Nach den Richtlinien der Frankfurter Wertpapierbörse dürfen Aufsichtsratsmitglieder unter Ausnutzung von Informationen, von denen sie aufgrund ihrer Stellung Kenntnis erlangen, „zu keinem Zeitpunkt und in keiner Weise zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil Dritter abschließen“.

Die Frankfurter Wertpapierbörse ermittelt bereits seit einiger Zeit in Sachen MAH und Daimler- Benz AG. „Die Untersuchungen sind aber genereller Natur und richten sich nicht speziell gegen eine Person“, sagte Börsensprecher Stefan Lutz. Die Frankfurter Börse strebe schon seit längerem eine Regelung ähnlich wie in den Vereinigten Staaten an, wo Insider-Geschäfte auch juristisch verfolgt werden. Als Sanktion gegen einen Verstoß droht Insidern hierzulande lediglich die Rückgabe erzielter Gewinne. Bei nachgewiesenem Verstoß muß der Betroffene noch damit rechnen, die Kosten des Prüfungsverfahrens zu tragen.

Steinkühler selbst sah gestern keinen Anlaß, persönliche Konsequenzen aus den Vorwürfen zu ziehen. Auf einer „persönlichen Pressekonferenz“ in einem Frankfurter Hotel sagte Steinkühler, er habe von der Verschmelzung der Mercedes Holding (MAH) mit Daimler-Benz erst am Ende der Aufsichtsratssitzung am 2. April dieses Jahres erfahren. Steinkühler bezeichnete seinen Aktienkauf als „normalsten Vorgang der Welt“. Aus heutiger Sicht halte er es aber für „absolut unvernünftig“, diese Aktien zu kaufen. Der Gewerkschaftschef bestätigte alle vom Stern bezüglich seines Kontos getätigten Veröffentlichungen als richtig. Der Vorwurf, unter Ausnutzung von Indsiderkenntnissen sich Vorteile verschafft zu haben, sei jedoch objektiv falsch.

Zumindest finanziell gelohnt hat sich der „absolut unvernünftige“ Erwerb auf jeden Fall: Am 19. April 1993 verkaufte Steinkühler laut Stern 1.000 Aktien und erzielte einen Spekulationsgewinn von 106.049,25 Mark. Für die 1.100 MAH-Aktien, die noch in seinem eigenen Depot und dem seines Sohnes lägen, betrage der Kursgewinn derzeit zusätzlich rund 52.000 Mark. Donata Riedel

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