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Ego me absolvo: Union frisch gewendet

■ CDU-Parteitag spricht sich selbst die Absolution aus und bestimmt Parteichef Dirk Fischer zum Bürgermeister-Kandidaten

spricht sich selbst die Absolution aus und bestimmt Parteichef Dirk Fischer zum Bürgermeister-Kandidaten

Die erlösenden Worte sprach der sonst eher unauffällig agierende Bürgerschaftsabgeordnete Peter Tucholski aus dem CDU-Kreis Altona: „Richten wir den Blick nach vorn, lassen wir die Vergangenheitsbewältigung ein für allemal sein.“ Bravo, großer Applaus am Dienstagabend im vollbesetzten Saal Nummer vier des CCH.

Der brave Tucholski durfte sich wieder setzen, die 205 Delegierten des Kleinen CDU-Parteitags richteten ihre Köpfe weisungsgemäß aus. Verabschiedeten eilends und einstimmig eine neue, garantiert verfassungsgerichtsfeste Satzung, stimmten sogleich mit der obligatorischen überwältigenden Mehrheit für ihren einzigen verbliebenen Bürgermeisterkandidaten und fühlten sich fast schon wieder wohl in ihrer christlich-demokratischen Haut: „An der CDU als Wahlalternative,“ so donnerte der frisch gekürte Voscherau-Rivale Dirk Fischer ins Mikrofon, führe nun wirklich kein Weg mehr vorbei. Bravo und abermals großer Applaus.

Schon vergessen der kleine mißliche Zwischenton, für den zu Beginn des Abends der Nienstedtener Kreisvorsitzende Claus-Peter Kedenburg gesorgt hatte. Kedenburg hatte nicht nur die Dreistigkeit besessen zu behaupten, die CDU habe ihrem Dissidenten Markus Wegner viel — nämlich die endlich demokratische Satzung — zu verdanken. Nein, er hatte auch noch gefordert, die Partei solle sich bei Wegner entschuldigen und gleichzeitig den alten Partei-Paten Jürgen Echternach dazu drängen, alle politischen Mandate niederzulegen. Kein Bravo und nur ganz wenig Applaus für Kedenburg. Sein Anti-Echternach-Antrag wurde mit 131 zu 54 Stimmen abgelehnt. „Laßt uns den Blick lieber nach vorne richten.“

Dort stand nicht nur Echternach-Folger Dirk Fischer in noch etwas ungeübter Sieger-Pose, sondern auch die Losung, mit der die Union den Hamburger Wähler von ihrer geglückten Vergangenheitsbewältigung überzeugen will: „Neu denken. Entschlossen handeln“.

Und das soll folgendermaßen funktionieren, nachzulesen auf dem Beipackzettel „Aufruf der Hamburger CDU zur Bürgerschaftswahl 1993“: „Neu denken heißt, an das Ganze denken, nicht nur an sich selbst. Entschlossen handeln bedeutet, die demokratische Politik muß auf Fehlentwicklungen in unserer Stadt zügig reagieren.“ Als da wären: Wohnungsnot, Verbrechensflut, Asylmißbrauch, Arbeitsplatzmangel, sozialer Mißbrauch, Unterrichtsausfall. Neu denken, entschlossen handeln, und schon ist alles weg. Ganz einfach.

Fragt sich nur, mit wem die frisch gewendete Hamburger CDU „aus Fehlern lernen und das beste für die Stadt erreichen“ will. Dirk Fischer übte sich, schon ganz Wahlkämpfer, erstmal in Ablehnung. SPD? „Nur Lug und Trug und Täuschung.“ FDP? „Rotgelber Filz, Partei eines polternden Milliardärs.“ GAL gar? „Nicht geeignet zur Bewältigung schwerer Probleme.“ Bravo, und nochmal großer Applaus im CCH. Uli Exner

Siehe auch Seite 11.

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