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An den Rand gedrängt

■ betr.: "Armut bedroht auch die Mittelschicht", taz vom 11.5.93

betr.: „Armut bedroht auch die Mittelschicht“, taz vom 11.5.93

Mindestens eine Million Kinder sind im reichen Deutschland von der Sozialhilfe abhängig, eine erschreckende Entwicklung, die sich zwar schon seit Jahren abzeichnete, die jedoch von den meisten Mitbürgern verdrängt wird. So ist es denn sehr positiv, daß Caritas mit seinen Studien in diesen Tagen auf das Problem aufmerksam gemacht hat. Doch nicht vergessen werden darf das Leid der Betroffenen, das sich hinter den nackten Zahlen verbirgt und das wir als aktiv Helfende täglich neu spüren. Denn arme Eltern zu haben bedeutet für die Kinder nicht nur, weniger Taschengeld zu bekommen oder billigere Kleidung zu tragen. Es treten auch verstärkt psychische Belastungen auf, wie z.B. Schlaflosigkeit, Angstzustände, Leistungsabfall in der Schule, Depressionen bis hin zu psychosomatischen Erkrankungen. Täglich werden bei den Kindern von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern durch den Vergleich mit Klassenkameraden, durch das Fernsehen und besonders durch die Werbung Bedürfnisse geweckt, die ihre Eltern nicht befriedigen können. Dadurch fühlen sie sich an den Rand gedrängt, sind frustriert und unzufrieden – und somit ein gefundenes Fressen für die braunen Rattenfänger. Die Gefahr, daß Jugendliche, die sich ausgegrenzt fühlen und keine Perspektive für die Zukunft sehen, in die Fänge des Rechtsradikalismus geraten, ist in den letzten Jahren erheblich größer geworden. Als einziges Gegenmittel sehen wir die Enttabuisierung des Armutsthemas. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen müssen wieder in die Gesellschaft integriert werden. Deshalb würden wir es für wünschenswert halten, wenn z.B. Schriftsteller und Kinderbuchautoren vor Schülern, Pädagogen o.a. interessierten Zuhörern Autorenlesungen zum Thema „Armut der Kinder“ veranstalten würden. Deutsche Hilfe für Kinder von

Arbeitslosen e.V., Hamburg

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