Und alle schlucken das

■ betr.: "Beihilfe zum Völkermord", taz vom 10.5.93

betr.: „Beihilfe zum Völkermord“, taz vom 10.5.93

Das auffällige Zögern, Zaudern, Hinhalten Europas und Amerikas, die „Schaukelpolitik“ des französischen UNO-Generals Morillon, hier täglich als der wahre Held des Ex-Jugoslawien-Krieges präsentiert (einerseits „rettet“ er die eingeschlossene Bevölkerung von Srebrenica, andererseits wollte er sie abtransportieren, also den Serben bei der „ethnischen Säuberung“ zur Hand gehen, überwacht die einseitige Entwaffnung in den Enklaven und feiert Seite an Seite mit dem Serbenführer und Psychiater(!) Karadžić das orthodoxe Osterfest ...), wie ist das alles zu erklären? Alle sprechen von Völkermord, und alle sehen zu? [...]

Vielleicht sollte man mehr erwähnen, daß es sich bei den bosnischen Moslems ja nicht um eine „Rasse“ oder ein „Volk“ handelt, sondern um eine jahrhundertealte, wundervolle, bunte Kultur – deren hauptsächlicher Fehler ihr islamischer Aspekt ist. Mit Recht weist in diesem Zusammenhang Erich Rathfelder auf jene Kräfte hin, die einen „islamischen Staat“ in Europa verhindern wollen und mit denen eine heimliche und allgemeine, oft unbewußte Sympathie besteht. Bosnien-Herzegowina vertritt die am westlichsten in Europa liegende islamische Kultur. Die taz wies am 13.4.93 u.a. in dem ironisierenden, zum Nachdenken anregenden Kommentar von Kemal Kurt „Vorsicht! Islam!“ auf die steigende und systematische Verteufelung des Islams und der islamischen Welt hin. Welche ganz allgemein schon durch verzerrte Informationen, mit fanatischem Integrismus identifiziert wird. Die bosnischen Moslems sind die „lockersten“, die man sich vorstellen kann. Aber man kann auch aus gewissen Gründen Fanatiker „züchten“, siehe die Entwicklung der Intifada, indem man Menschen mit dem Rücken zur Wand stellt.

Das neue, notwendige Feindbild – business is business – nach Verschwinden der „Roten Gefahr“: die „Grüne Gefahr“! Und alle schlucken das. Und den Völkermord vor unserer sauberen Tür. Dagmar Schemsa Brocksin,

St. Bonnet de Bellac,

Frankreich