: Täglicher Terror wegen Kinderwagens im Flur
■ Schöneberger Mietshaus: Binationales Ehepaar wird seit Monaten drangsaliert
Schöneberg. Daß es zuweilen starke Nerven braucht, um seine Rechte gegen eine Hausverwaltung durchzusetzen, erfährt das Ehepaar Isabella R. und Pascal L. seit fast einem Jahr auf sehr nachdrückliche Art und Weise. Die Messung des Bleigehalts der maroden Wasserleitung ihrer Wohnung in der Eisenacher Straße sowie die schlichte Mitteilung an die Hausverwaltung, daß die Bleiwerte überhöht seien, bescherte der Familie mit zwei Kindern mittlerweile zwei Kündigungen samt Räumungsklage, einen mehrfach zerstörten Kinderwagen und überdies rassistische Anfeindungen.
„Am selben Tag, an dem wir der Hausverwalterin die überhöhten Bleiwerte mitgeteilt haben“, berichtet Isabella R., „haben uns die Verwalterin sowie der Hauswart, die im gleichen Haus wohnen, aufgefordert, unseren Kinderwagen aus dem Hausflur zu entfernen.“ Nachdem das Ehepaar dieser Aufforderung nicht nachkam, sei der Wagen, auch bei strömendem Regen, regelmäßig auf die Straße gestellt worden. Im Oktober fand ihn das Ehepaar schließlich völlig zerstört vor. Ein Bekannter des Hauswarts war, so Isabelle R., über den Kinderwagen gestürzt, worauf Hauswart Reinhard B. sofort eine Anzeige gegen ihren Mann wegen fahrlässiger Körperverletzung gestellt habe. B.s Bekannter, Thomas Denecke, ist nach Informationen der taz aktiver „Republikaner“ und hatte bei den vergangenen Kommunalwahlen zur BVV Treptow kandidiert.
Im Januar flatterte dem Paar die erste Kündigung wegen angeblicher Beleidigung auf den Tisch. Die wurde zwar wegen Formfehlern inzwischen zurückgewiesen, doch die Kette alltäglicher Schikanen und Anfeindungen reißt seither nicht ab. „Immer wieder“, sagt Frau R., „wird mein Mann ausländerfeindlich beschimpft“, sie selbst sei, damals hochschwanger, von Thomas Denecke auf der Straße angerempelt worden. „In der Zwischenzeit“, sagt sie, „wird der Buggy beinahe täglich zerschlitzt oder mit Müll zugekippt.“ Die Polizei habe bisher auf keine ihrer Anzeigen reagiert, obwohl es zumindest für eine Beschädigung eine Zeugin gebe.
Für Isabella R. sind die Schikanen auch ein Beispiel für alltäglichen Rassismus. „Früher haben sich manche Leute manche Dinge noch nicht zu sagen getraut, heute kommt das alles hoch.“ Erst vor kurzem sei zum Beispiel einer libanesischen Familie im Hinterhaus gekündigt worden. Hauswart Reinhard B. bestätigte gegenüber der taz die Kündigung. Der Grund sei allerdings keine Ausländerfeindlichkeit, sondern die Tatsache, daß die libanesische Familie in illegalen Untermietsverhältnissen wohne. „Das ist ein Taubenschlag“, so B., „da ist mal gegen angegangen worden.“ Zum Fall Isabella R. und Pascal L. wollte er sich nicht weiter äußern, da mehrere Gerichtsverfahren anhängig seien. Eines davon: die zweite Kündigung gegen das Ehepaar samt Räumungsklage. Diesmal soll Pascal L. den Hauswart tätlich angegriffen haben. Uwe Rada
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