: UNO beschließt Kriegsverbrechertribunal
■ Bosnien-Herzegowina auch Hauptthema bei der Nato-Frühjahrstagung
New York/Brüssel/Berlin (AFP/dpa/AP/taz) – Der Weltsicherheitsrat hat in der Nacht zum Mittwoch einstimmig die Einrichtung des seit langem angestrebten Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien beschlossen. Es soll nach dem Resolutionstext „dem einzigen Ziel der strafrechtlichen Verfolgung von Personen“ dienen, „die verantwortlich sind für schwere Verletzungen der internationalen Menschenrechte auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien zwischen dem 1. Januar 1991 und einem Datum, das vom Sicherheitsrat festgelegt wird nach der Wiederherstellung des Friedens“.
Unter Kapitel VII der UNO- Charta, das Zwangsmaßnahmen auch gegen den Willen der Betroffenen zuläßt, wird festgelegt, daß alle Staaten die Pflicht haben, voll mit dem Tribunal zu kooperieren. UNO-Generalsekretär Butros Ghali hatte bereits klargemacht, daß das Tribunal teuer wird, auch wenn nach vielen Befürchtungen keiner der „großen“ Kriegsverbrecher jemals dort erscheinen wird: Nach seiner Schätzung wird es im ersten Jahr 31,2 Millionen Dollar kosten. Außer den elf Richtern werden nach Ghalis Planung 373 Hilfskräfte notwendig sein, sehr viele davon hochqualifizierte Juristen. Die Anmietung von Gebäuden und Gefängnissen ist in dieser Summe noch nicht enthalten.
Zwei ordentliche und eine Berufungskammer mit insgesamt elf Richtern sind vorgesehen, dazu eine Anklagebehörde. Die Richter sollen vom Weltsicherheitsrat nominiert und von der UNO-Vollversammlung gewählt werden, der Ankläger vom Sicherheitsrat aufgrund einer Empfehlung des Generalsekretärs ernannt.
Niemand wird in Abwesenheit verurteilt werden können, niemand wird sich andererseits auf Befehle von oben berufen können, und niemand kann zum Tod verurteilt werden. Das Tribunal soll in Den Haag errichtet werden, wird aber auch woanders tagen können.
Das Tribunal soll nur jene Regeln des internationalen Rechts anwenden, die schwere Verletzungen der Genfer Konventionen von 1949, Verstöße gegen geltendes Kriegsrecht und Menschenrechte betreffen — „ethnische Säuberungen“ und Vergewaltigungen sind damit eingeschlossen.
Auf der Nato-Frühjahrstagung, die am Mittwoch in Brüssel zu Ende ging, konnten sich die Verteidigungsminister der Allianz nicht auf eine Zustimmung zum jüngst von den USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien und Spanien verabschiedeten „gemeinsamen Aktionsplan“ für Bosnien- Herzegowina einigen. Vor allem von deutscher und türkischer Seite kam harsche Kritik am Plan, der die Einrichtung von Schutzzonen für die Muslime vorsieht und im übrigen die serbischen Eroberungen implizit akzeptiert. Stattdessen beschlossen die Nato-Verteidigungsminister, an den Zielen des Vance-Owen-Plans festzuhalten, der die Aufteilung der Republik in zehn weitgehend autonome Provinzen und implizit auch den Rückzug der Serben aus weiten Teilen der von ihnen eroberten Gebiete fordert.
Der serbische Präsident Slobodan Milošević lehnte die im „gemeinsamen Aktionsplan“ geforderte Stationierung internationaler Beobachter an der bosnisch- serbischen Grenze erneut als „nutzlos“ ab. Dies wurde in Belgrad nach einem Gespräch Miloševićs mit dem russischen Jugoslawien-Beauftragten Vitaly Tschurkin mitgeteilt. Zuvor hatten sich bereits der jugoslawische Präsident Dobrica Čosić und der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić gegen diesen Bestandteil des Aktionsprogramms gewandt, der den Nachschub für die logistische Unterstützung der bosnischen Serben über die Drina unterbinden soll. Tschurkin reiste anschließend in die überwiegend von Albanern bewohnte serbische Provinz Kosovo weiter, wo er mit dem Chef der dortigen albanischen Opposition, Ibrahim Rugova, sowie mit örtlichen Vertretern der Serben zusammenkam.
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