Freigabe des Drogenbesitzes reicht nicht

■ Nur reiche Süchtige bekommen in Italien einen Therapieplatz

Rom (taz) – Die Euphorie war groß, zunächst jedenfalls. Mit einer Volksabstimmung am 18. April hatten Italiens WahlbürgerInnen auch die drei Jahre zuvor von Sozialisten und Christdemokraten durchgesetzte Kriminalisierung Drogensüchtiger aufgehoben. Wer nun mit Rauschgift in Mengen angetroffen wird, die eindeutig auf persönlichen Gebrauch schließen lassen, bleibt unbehelligt.

So weit, so gut. Doch nun beginnen die Probleme. Und die belegen, wie wenig die Freigabe des Drogenbesitzes als isolierte Aktion wert ist. So ändert die Freigabe als solche überhaupt nichts an den Schwierigkeiten des Drogenerwerbs. Sowohl die Abhängigkeit von den Dealern bleibt als auch die Beschaffungskriminalität. Denn das Referendum hat weder die Ausgabe von Drogen auf Krankenschein und Rezept gebracht noch Ersatzdrogen bereitgestellt.

Die gerade mal 10.000 Therapieplätze reichen – wie bisher – nur für ein Zehntel der Entzugswilligen. Drogenberater beklagen bereits, daß der Entzug zu einer Frage des Geldes wird. Denn immer mehr Therapieplätze werden von Sprößlingen reicher Familien besetzt.

Wer nicht zu diesen Kreisen gehört, landet zunächst – wie bisher auch – im Knast, weil er früher oder später kriminell wird. Von einer freiwilligen Entwöhnungskur, die ihm Strafverschonung gewähren würde, bleibt er ausgeschlossen, weil einfach kein Therapieplatz frei ist.

Doch auch wer einen der begehrten Plätze erwischt hat, ist noch lange nicht gerettet. Denn einige der Entziehungsmethoden sind eher Strafe als Hilfe. Sie reichen von reiner Beschäftigungstherapie in meist kirchlich geführten Gemeinschaften wie „Abele“ oder „Incontro“ bis hin zu schierer Freiheitsberaubung (Einschließen oder auch Anbinden ans Bett) wie im Falle der europaweit größten Gemeinschaft San Patrigano bei Rimini. Süchtige, die sich dort nicht voll der Gemeinschaftsdisziplin und der Hausordnung unterordneten, wurden verprügelt, einer gar totgeschlagen.

Die jahrelange Tabuisierung des Themas Drogen hat in Italien eine wirkliche Auseinandersetzung damit verhindert. Inzwischen überlegen die PromoterInnen des Entkriminalisierungsreferendums, wie sie dies mit weiteren populistischen Schritten ändern können. Leicht wird das nicht sein. Denn unterdessen sammeln sich auch die GegnerInnen der Drogen-Entkriminalisierung. Schließlich haben sie die Volksabstimmung nur knapp verloren. Werner Raith