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Allein gegen den Krieg

■ Stage School for Music, Dance and Drama gastiert mit dem Weill-Musical "Johnny Johnson" in den Kammerspielen

in den Kammerspielen

Noch ein Musical. Diesmal mit minimaler Ausstattung, ohne Effekte und gesinnungsmäßig voll auf der Höhe der Zeit. Die Hamburger „Stage School for Music, Dance and Drama“ gastiert in den Kammerspielen mit Johnny Johnson von Paul Green und Kurt Weill. Das ist — kaum zu glauben — die deutsche Erstaufführung. Weill schrieb die Musik 1936 im Exil in den USA. Die Uraufführung 1936 in New York inszenierte Lee Strasberg.

Johnny Johnson meldet sich im 1. Weltkrieg freiwillig zur Armee. Ihm wurde gesagt, dies sei der Krieg, um alle Kriege zu beenden. Schnell einsehend, daß dem nicht so ist, will er auf eigene Faust Frieden machen. Seine Vorgesetzten lassen das nicht zu, und Johnny endet in der Irrenanstalt. Diagnose: Friedenswahn.

Ein Antikriegs-Musical. Regisseur Dieter Seidel nutzte die Aufführung zu einigen aktuellen Bezügen. In einer Szene trugen die Soldaten blaue Helme. Und in einer anderen formierten sich Frauen zu einer Lichterkette. Leider ist das Stück aber auch eine erkenntnisheischende Schmierentragödie und eine holpernde Passionsgeschichte mit Gesangseinlagen und nicht vergleichbar mit der Dreigroschenoper von Weill und Brecht. Das kann auch diese Aufführung nicht verbergen.

Einiges an der Musik klingt danach, als wollte Weill sich für den Broadway empfehlen. Und Green ist eben nicht Brecht. Der kämpfte gegen den Kapitalismus, nachdem er ihn analysiert hatte, dagegen schreibt Green aus hilflos humanistischer Sicht gegen den Krieg. Johnny Johnson will Frieden stiften — man läßt ihn nur nicht. Die kriegstreibenden Generäle werden ganz zu Karikaturen und als Gegenspieler erledigt, bevor sie angefangen haben. Übrig bleibt der arme Johnny J., die Schlechtigkeit der Welt bestaunend.

Die Stage School entließ mit dieser Produktion einen Jahrgang ihrer Schüler in die harte Wirklichkeit des Schauspielerlebens. Singen kann man dort offensichtlich lernen. Zwar gerieten die obszönen, dreckigen und auch die tragischen Stellen etwas keimfrei. Aber die schmalzigen Songs waren tatsächlich schön schmalzig. Und in der Lichterketten-Szene wurde die Gefahr der Betroffenheitsheischerei zwar nur haarscharf, aber eben doch noch umschifft.

Etwas anderes allerdings irritierte: Wenn die Schauspieler nicht von der Geborgenheit der Songs, der schützenden Hülle der Karikatur umfangen wurden, blieben sie oft blaß. Machmal sah es gar so aus, als würden sie das Schauspielern spielen. Offenbar ist man an der Stage-School eher um den Nachwuchs für die deutsche Musical-Landschaft bemüht. Dirk Knipphals

Kammerspiele, bis 7. Juni, 20 Uhr

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