: Somalia: UNO setzt auf Gewalt
■ Nach dem Tod von 22 Blauhelmen will Rühe die Planung der Bundeswehr nicht verändern
Berlin (taz) – Eine bloßgestellte UNO, Säbelrasseln im Weltsicherheitsrat und Kriegsangst in Mogadischu: das ist die Bilanz eines blutigen Wochenendes in der somalischen Hauptstadt. 22 pakistanische UNO-Blauhelme und mindestens 35 Somalis kamen bei den Straßenkämpfen zwischen UNO-Blauhelm-Einheiten und Kämpfern des „Vereinigten Somalischen Kongresses“ (USC) unter dem mächtigen warlord General Farah Aidid ums Leben.
Noch nie seit ihrer Kongo-Intervention in den sechziger Jahren hatte die UNO so viele tote Blauhelme zu beklagen, und ihre Reaktion ist entsprechend heftig. Die in der Nacht zum Montag einstimmig angenommene Resolution 837 des Weltsicherheitsrates fordert UNO-Generalsekretär Butros Ghali auf, „alle notwendigen Maßnahmen“ zu ergreifen, um die „Autorität“ der UNO in Somalia wiederherzustellen. Die UNO-Mitgliedsstaaten sollen weiteres Kriegsmaterial und die 10.000 noch fehlenden Blauhelme der UNO-Mission „UNOSOM II“ zügig bereitstellen.
Vor allem fordert die Resolution die Festnahme und Aburteilung der Verantwortlichen für den Tod der UNO-Blauhelme. Der der Resolution zugrundeliegende Bericht über die Vorfälle nennt die Verantwortlichen beim Namen: die USC- Kämpfer und ihr Führer Aidid. Die „Angriffe“ der Aidid-Truppen, so der Bericht, „erscheinen als kalkulierte, vorsätzliche Serie größerer Waffenstillstandsverletzungen, die UNOSOM II herausfordern und einschüchtern sollen.“
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen erklärten gestern, die UNO habe sich eine Frist von sieben Tagen gesetzt, um förmlich festzustellen, wer die Schuldigen an dem Feuergefecht waren. Doch haben US- und italienische Flugzeuge bereits Artilleriestellungen nördlich von Mogadischu bombardiert, die Aidid gehören sollten. In der somalischen Hauptstadt wuchs nach Rundfunkberichten die Furcht vor einem unmittelbar bevorstehenden militärischen Schlag der UNO.
Das Hilfspersonal diverser UNO-Unterorganisationen und des deutschen Technischen Hilfswerkes (THW) ist bereits am Sonntag nach Kenia evakuiert worden. Während die THW-Mitarbeiter offenbar nicht mehr nach Somalia zurückkehren sollen, erklärte Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) gestern, er halte am Einsatzplan für deutsche Soldaten in Somalia fest, da die Lage im vorgesehenen Einsatzort Belet Huen ruhig sei. Mit Panzerfahrzeugen, Panzerabwehrwaffen und Maschinengewehren seien die Bundeswehr-Angehörigen gegen alle in Belet Huen denkbaren Gefahren geschützt. Zudem hätten die dortigen Machthaber nichts gegen die deutsche Präsenz einzuwenden.
Dieser optimistischen Einschätzung widersprach Horst Hamborg, evakuierter Mitarbeiter des Roten Kreuzes in Somalia: „Belet Huen untersteht eindeutig dem Einfluß Aidids.“ Wenn die Stimmung in Somalia gegen die UNO-Truppen umschlage, könne es auch in Belet Huen mit dem Frieden bald vorbei sein.
SPD-Sicherheitsexperte Dieter Heistermann sagte, der geschäftsführende SPD-Fraktionsvorstand habe beschlossen, gegen den deutschen Somalia-Einsatz vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Die SPD wolle die Somalia-Mission mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung stoppen. Unterdessen wurde bekannt, daß deutsche Infanteristen mit Sturmgewehren am Wochenende nach Mogadischu eingeflogen wurden, um deutsche Ärzte zu schützen, die dort verwundete pakistanische Blauhelmsoldaten behandelten. Dies erklärte ein Sprecher des Bonner Verteidigungsministeriums. Seiten 2, 9 und 10
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