Politiker haben Titel, Senatorinnen sind Frauen

■ Ob Frauen in verantwortlicher Position anders Politik machen als die Männer, untersuchten TU-Wissenschaftlerinnen anhand des rot-grünen Senats

Wo hatte es das je gegeben, daß acht von dreizehn höchsten politischen EntscheidungsträgerInnen Frauen waren? Der rot-grüne Berliner Senat der Jahre 89 bis 90 mit Walter Momper als Regierender Bürgermeister machte dies möglich. Eine einmalige Konstellation, die geradezu danach drängte, für die Nachwelt analysiert und festgehalten zu werden. Für die Sozialwissenschaftlerin Barbara Schaeffer-Hegel von der TU Berlin Anlaß genug, um eine Studie im Rahmen eines Forschungsprojekts zu erstellen. Mit finanzieller Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) untersuchte die Wissenschaftlerin, inwieweit die Präsenz von Frauen in politischen Führungspositionen zu einem Wandel der politischen Kultur führen kann. Zwei Jahre lang wurde die Arbeit der Senatorinnen beobachtet, das Bild derselben in der Presse kritisch unter die Lupe genommen und Mitarbeiter aus den Senatsverwaltungen interviewt.

Durch den weniger hierarchischen Führungsstil der Frauen sei in den Senatsverwaltungen ein positiveres und kooperativeres Arbeitsklima geschaffen worden. Die Mitarbeiter hätten sich mehr zugetraut und mehr Verantwortung übernommen als bei männlichen autoritären Weisungsformen, so Schaeffer-Hegel bei der Vorstellung des 250 Seiten umfassenden Werkes.

Allerdings habe die Studie nicht immer nur die Sonnenseiten der Senatorinnenarbeit ans Licht gebracht. Zwar seien die Politikerinnen als Person ernst genommen, die politische Arbeit allerdings oftmals mißachtet und nicht ausreichen gewürdigt worden. Mit schwammigen Begründungen wie „zu langsam, zu zögerlich“ habe man ihnen nicht zugetraut, wichtige politische Entscheidungen zu treffen. Daran sei auch maßgeblich die Presse schuld, die die Senatorinnen nicht genügend beachtet und über ihre Arbeit berichtet habe. Professorin Barbara Riedmüller (SPD), die damalige Wissenschaftssenatorin, beklagte beispielsweise, daß „ich in Zeitungen meist mit ,Frau‘ Riedmüller, männliche Kollegen hingegen immer mit vollständigem Titel erwähnt werden“. An diesen kleinen Unterschieden lasse sich festmachen, daß sie als Politikerin nicht für voll genommen werde.

Viele Rückschläge und Enttäuschungen sind nach Ansicht der amtierenden Justizsenatorin, Prof. Jutta Limbach (SPD), auf die relativ begrenzte Zeit der rot-grünen Koalition – 22 Monate – und auf die historischen Ereignisse in Berlin zur selben Zeit zurückzuführen. „Bei den Umwälzungen haben sich inszenierungswütige Politiker ins Rampenlicht gestellt. Das ist nicht die Methode von uns Frauen.“ Trotzdem glaubt sie, daß ohne den „Frauensenat“ viele Dinge in Berlin anders und nicht unbedingt besser gelaufen wären. Außerdem habe man Wege aufgezeigt, wie eine menschlichere Politik zu betreiben ist.

Ingrid Stahmer (SPD), Senatorin für Soziales, formuliert es eindeutiger: „Das Hierarchiemodell ist doch schon lange out. Die Politik braucht aber viel zu lange, um das zu begreifen.“ Jörg Welke