Von Fußball, Macumba und Serben

■ Ein Kolloquium unter Fachleuten zur Verabschiedung von Fußballprofessor Fritz Stemme

Von Fußball, Macumba und Serben

Ein Kolloqium unter Fachleuten zur Verabschiedung von Fußballprofessor Fritz Stemme

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Fußballbeine

im Sturm

Professor Doktor Fritz Stemme ist entpflichtet, also emeritiert. Er selbst sprach sogar von entsorgt, und, ohne dem langgedienten „Fußballprofessor“ vom Studiengang Psychologie weh tun zu wollen, das wurde er auch. Ein Kolloquium zum Thema „Psychologische Aspekte des Fußballspiels“ war eigens zu seinen Ehren anberaumt worden. Denn der 1924 geborene Bremer Fritz Stemme hat sich beruflich seit den siebziger Jahren viel mit dem Fußballspiel beschäftigt.

Zum „Wissenschaftlichen Gespräch zwischen Fachleuten“, so definiert der Duden ein Kolloquium, war ein erlesenes Podium eingeladen worden. Prof. Dr. Lüschen, ein Soziologe aus Illinois, war da, der Diskussionsleiter Prof. Dr. Michael Stadler von der Uni

Bremen und eben der zu emeritierende Professor Stemme. Mit ihnen diskutieren sollten: drei Praktiker — Werder-Manager Willi Lemke, der Werder-Profi und Psychologie-Student Uwe Harttgen und als Ehrengast Franz („Schau'n wer mal“) Beckenbauer. Im gut besuchten Hörsaal geriet die Veranstaltung zur Kabarett-Show von Experten.

Stemmes erstes Fußballspiel war an einem Mittwochabend im Jahre 1935 im Weserstadion. Werder spielte 1:1 gegen Hertha BSC. Unentschieden endete auch ein Meisterschafts-Endspiel der beiden Vereine aus Rio de Janeiro, Fluminense gegen Flamingo. Beide Teams hatten sich Rat bei einem Macumba-Priester geholt, eifrig Zigarettenkippen und Stollen ihrer Gegner unter dem Spielfeld vergraben. Pech für beide: der gute Rat kam vom selben Medizinmann.

Das psychologische Kolloquium hatte aber noch mehr zu

bieten. Zum Beispiel zur Frage, wie es bei elf Spielern auf dem Platz zu „Gleichschwingungen“ kommen kann, oder zum „Kippen eines Spiels“. Zuerst kippte ein Wasserglas auf dem Podium um, dann referierte Kaiser Franz Beckenbauer über die „Ungeschicklichkeit des FC Bayern München“. Die hätten es in der Endphase der Meisterschaft nicht verstanden, das alte Problem vom „Agieren und Reagieren“ in den Griff zu bekommen. Dies war zwar nicht gefragt, aber Willi Lemke mochte natürlich nicht zurückstehen. Im geistigen Schulterschluß erklärte der Manager fix: „Als Andy Herzog gegen den HSV das 5:0 erzielte, war allen klar, diesmal packen wir es!“. 1986 sei das ganz anders gewesen. „Nach Kutzops Elfmeter gingen die Bayern jubelnd an unserer Kabine vorbei, da glaubten wir nicht mehr an uns“. Und dann Willis Schlußfolgerung: „Fußball ist voller Unwägbarkeiten, aber das soll keine Entschuldigung sein.“

Diese Erkenntnis lockte nun wieder Professor Doktor Stemme aus der Reserve. „Fußball ist eine Dimension für sich“, behauptete er keck, und hatte auch gleich Dramatisches zu bieten. „Die erste Konfrontation in Jugoslawien fand in der Fußballnationalmannschaft zwischen Serben und Kroaten statt, aber das weiß niemand“. Jetzt ist es raus.

Beckenbauer fällt ein, daß er vor zwanzig Jahren noch im Schlafwagen zu Auswärtsspielen reiste, da kann Professor Stemme heftig zustimmen. Daraufhin hält Willi Lemke dem Bremer Publikum vor, daß es in Nöten das Werder-Team nur ungenügend unterstütze. Dies ist für den Soziologen Günter Lüschen das Stichwort: „Das ist doch das gleiche mit dem Stadttheater Oldenburg. Die beklagen sich auch über die Zuschauer. Das ist wohl die norddeutsche Mentalität.“

Nicht das letzte Wort zu haben, kam Willi Lemke sichtlich ungelegen. Mit einem eher philosophischen Aspekt gibt er der wenig psychologischen Stemme-Abschieds-Show den Rest: „Fußball ist schließlich die schönste Nebensache der Welt. Aber“, so gibt er zu bedenken, „es gibt noch wichtigere Dinge auf der Welt“. Uwe Harttgen guckte seinen Chef ungläubig an, und sagte — lieber nichts. Mins Minssen