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Nachschlag

■ Aus Liebe zur Heimat Die „Nestbeschmutzer“ im Mehringhof

Es stellt sich hier ganz eindringlich die Frage, ob sich, wer sein „Nest“ auch nur andeutungsweise scheel anschaut, gleich „Nestbeschmutzer“ nennen darf. Auch ganz schön inflationär erscheint der Gebrauch des Begriffs „Politkabarett“. Nach der Darbietung der beiden Freiburger „Nestbeschmutzer“ Gerd Weismann und Frank Sauer ließe sich nämlich ohne weiteres (kurz-)schließen, das Prädikat „Polit“ zeichne Zungenbrechernummern aus, die Weizsäcker zur „Wohltätigkeitswarze“ ernennen und unsere „Parlament-Arier“ wie zum Beispiel „Schaf Lambsdorff“ zu „Pennern der Materie“ macht. „Polit“ ist außerdem, wer die Kerzenträger und Lichterkettenbeschwichtigungen der Schreibtisch-Brandstifter auf der Bühne stichelt. „Polit“? Höchstens „polight“. Eine Magerkost des Kabaretts. Vorspeise: Galopp durch die Heimat oder: Badisches Allerlei. Gestreift werden die Fischerin vom Bodensee, Luis Trenker und der unvermeidliche Pfarrer, der seiner Gemeinde den Wahlzettel vorbetet. Hauptspeise: Rohkost vom deutschen Autofahrer und den militanten Gartenzwerg-Heerführern. Angerichtet und verfeinert durch eine rheinische Frohnatur, die von einem Maschinenparktpathologen berichtet. Ein Highlight. Vor allem durch Frank Sauers Gesichtsgymnastik – eine geradezu bestechende Studie deutscher Stammtischphysiognomie gewöhnlichster und doch aberwitzigster Ausformung. Seine Dynamik und vor allem sein Tempo trösten über die Schwächen seines Partners hinweg, der zum Dessert seine beste Nummer, eine Rede an die „Nazi-on“, beiträgt. Auch als lispelnder Pfarrer („Nein zum Gummi, Ja zum Samen, Amen“) hält er sich passabel.

Und trotzdem – selbst beim größten Hitzebonus, selbst bei allergrößten Sympathien (aus rein persönlicher Betroffenheit) für das Unterfangen, badische, schwäbische (oder Bonner) Nester zu beschmutzen: Das Konzept trägt nicht durch den Abend. Er ist eine dramaturgische Hänge- und Zitterpartie, die von einem Loch ins nächste fällt, sobald auch nur sanfte kabarettistische Höhengefilde erreicht werden. Bedauerlich gerade deshalb, weil sich die Kabarettisten selbst diese Löcher vorsätzlich graben. Stichwort: Kürze, ergo Würze.

Kaum zu verzeihen ist, daß sie, die sie dem Namen nach mit ironischer Scharfzüngigkeit ihr Nest zerfleddern wollen, sich nur zu Ikonen dieses Nestes machen. Sie schauen dem Volk aufs Maul und dreschen derb die Mundartphrasen, aber das Vorgetragene ist die bloße Zurschaustellung der endlos wiederholten Alltäglichkeit, ohne jemals deren bittere Tiefe zu entdecken. Plötzlich erinnern die Netzbeschmutzer, deren Witz allein durch diese Wiederholungen überlebt, an die Pausenfüller der süddeutschen Rundfunkanstalt: s' Äffle und s' Pferdle. Auch die ernten ihre Lacher nur, weil sie sich als Wiederholungstäter selbst stilisieren und das stabilisieren, was ist. Und immer war. Petra Brändle

Bis 26. Juni, Mi–So, 21 Uhr im Mehringhof, Gneisenaustraße 2a

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