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Nicht auf die Wunderpille warten

Schlußansprachen auf der Welt-Aids-Konferenz plädierten gestern dafür, den Kampf gegen die Epidemie zu verstärken / Mehr als die Hälfte aller Infizierten sind jünger als 25 Jahre  ■ Aus Berlin Manfred Kriener

„Der Fortschritt kommt in kleinen Schritten und nicht in großen Sprüngen“, sagte der Direktor des Aidsprogramms der Weltgesundheitsorganisation, Mike Merson, zum Abschluß der 9. Welt-Aids- Konferenz gestern in Berlin. Merson zog ein ehrliches Fazit und wies auch auf Enttäuschungen und Versäumnisse der Konferenz hin. In der antiviralen Therapie und bei den Impfungen warte man weiter auf einen Durchbruch. Merson forderte die Wissenschaftler auf, sich intensiver um die Belange der Frauen zu kümmern. Frauen müßten künftig stärker an der Planung der Welt-Aids-Konferenz beteiligt werden.

Als wichtige Erkenntnis von Berlin nannte Merson den Anstieg der Teenager unter den HIV-Infizierten. „Wir wissen heute, daß die Hälfte aller Infizierten jünger als 25 Jahre ist.“ Er frage sich, wie die Welt zusehen könne, wenn sich so viele junge Menschen am Aids-Virus anstecken. „Wann werden wir endlich aufhören, zu moralisieren und damit beginnen, unsere Kinder zu schützen?“

Mit der relativ bescheidenen Summe von jährlich 2,5 bis 3 Milliarden Dollar könne die Weltgemeinschaft den Kampf gegen Aids in den Entwicklungsländern organisieren und damit Millionen von Menschenleben retten.

Auch aus ökonomischen Gründen müsse der Kampf gegen Aids verstärkt werden. Merson schloß mit einem Zitat des an Aids gestorbenen Tennisstars Arthur Ashe: „Wir müssen den Mut haben, das zu tun, was wir tun müssen mit allen dazu notwendigen Ressourcen.“

Yamil Kouri, Sprecher der Internationalen Gesellschaft gegen Geschlechtskrankheiten appellierte leidenschaftlich an die Weltgemeinschaft, nicht immer nur auf Impfstoffe und Therapien zu starren. Selbst wenn ein Impfstoff verfügbar sei, werde Aids von diesem Planeten nicht verschwinden. Die Wunderpille gegen diese Krankheit werde es auf absehbare Zeit nicht geben, aber es gebe schon jetzt genug Mittel, um Aids erfolgreich zu bekämpfen: Mit Verhaltensänderungen in den sexuellen Gewohnheiten, mit Kondomen und mit der effektiven Behandlung von Geschlechtskrankheiten, die als wichtigster Ko-Faktor die Ausbreitung von Aids beschleunigen. Doch während mehr als 90 Prozent aller Gelder in die medizinische Forschung fließen, würden für die Verhütung von Aids nur fünf Prozent ausgegeben und nur ein Prozent für die Kontrolle der Geschlechtskrankheiten. „Es gibt nur einen Weg, Aids einzudämmen: wir können die Übertragung des Virus verhindern und wir müssen sie verhindern.“

Sabine Bergmann-Pohl, Staassekretärin im Bonner Gesundheitsministerium, forderte einen besseren Infektionsschutz für Frauen. Sie müßten stärker in die Lage versetzt werden, sich selbst zu schützen und nicht länger auf die Einsicht des Mannes angewiesen sein.

Die Redner der Schlußzeremonie wurden immer wieder von lautstarken Demonstranten unterbrochen. Ihre Forderung: „Wir wollen Heilmittel und kein Geschwätz – Hört auf zu reden, tut endlich etwas.“ Zugleich verlangten sie, daß sie schon jetzt in die Planung der nächsten Weltkonferenz in Yokohama einbezogen werden. Yuichi Shiokawa, Präsident der nächsten Konferenz, versprach, daß auch in Japan die sozialen Themen berücksichtigt werden.

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