: Stasichef Mielke schweigt, Vize Neiber bestreitet
■ Mordaufträge des MfS waren angeblich nur geplante Einschüchterungsaktionen
Berlin (dpa/taz) – Der einstige Armeegeneral Erich Mielke schweigt weiter. Auch im Prozeß um geplante Stasi-Auftragsmorde in der Bundesrepublik verweigerte der 85jährige frühere Minister für Staatssicherheit vor dem Berliner Kammergericht gestern die Aussage. Auf eine angeblich geplante Entführung des 1975 geflüchteten DDR-Rudertrainers Richard Wecke konkret befragt, berief sich Mielke auf Erinnungslücken und erklärte: „Ich kann dazu nichts sagen. Wirklich nicht.“ Sein ehemaliger Stellvertreter Gerhard Neiber bestritt anschließend in seiner Zeugenaussage nachdrücklich, daß die Stasi Menschen in der Bundesrepublik ermorden lassen wollte.
„Für terroristische Akte hat es keine Genehmigung gegeben“, sagte der 64jährige Neiber, der seit vergangenem Monat wegen der geplanten Entführung oder Tötung des ehemaligen DDR-Grenzsoldaten Werner Weinhold selbst in Untersuchungshaft sitzt. Auch Honecker hätte so etwas nicht gebilligt, weil der außenpolitische Schaden zu groß gewesen wäre. Schon die Affäre um den Spion Günter Guillaume sei „auf den Unwillen der Parteiführung“ gestoßen. Nach Verlesen seiner vorbereiteten Erklärung verweigerte dann auch Neiber die Aussage.
In dem seit März laufenden Verfahren sind der Ex-Oberstleutnant Hans Kusche (62) und der westdeutsche Kaufmann Heinrich Schneider (63) wegen versuchten Mordes an dem Westberliner Regimegegner Siegfried Schulze angeklagt. Schulze hatte in den 70er Jahren Anschläge auf die Mauer verübt. Außerdem wird Kusche zur Last gelegt, 1980 den Auftrag erteilt zu haben, den Hamburger Fluchthelfer Lamp'l zu töten.
Zu Schulze sagte Neiber, daß dieser nach seinen Kenntnissen nur verprügelt werden sollte. Die DDR habe gehofft, daß die „Gegenseite“ Schulze dann von weiteren Taten abhält. Dies sei auch geschehen. Schulze gilt seit Ende 1975 als spurlos verschwunden. Zum Fall Lamp'l betonte er, es habe keine Entscheidung gegeben, ihn zu töten. Er sollte lediglich in Angst versetzt werden.
Zu Beginn seiner Vernehmung hatte Mielke, der am Stock gehend den Sitzungssaal betrat, auf die Frage nach seinem Beruf geantwortet: „Im Gefängnis sitze ich.“ Später gab er dann den ursprünglich erlernten Beruf „Transportfacharbeiter“ an. Nachdem er die Aussage verweigert hatte, war sein Auftritt ähnlich wie die vor den Schalck-Untersuchungsausschüssen des Bundestages und des bayerischen Landtages nach nur sieben Minuten beendet.
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