: Vorwärtsgewogt
■ Tanz und Musik heißen improvisiert „tout de suite“: am Wochenende im freiraum-theater
Ausdruck pur — so könnte man knapp das Ergebnis der künstlerischen Verschmelzung von zwei mal drei Musikern und TänzerInnen in „tout de suite“ beschreiben: einer Improvisation aus Musik und Tanz, die am Wochenende im freiraum-theater zu sehen und zu hören war. Zunächst die drei Musiker: Hainer Wörmann, der seine Gitarre wie ein Handwerkszeug bearbeitet; Paul Hubweber, der der Posaune das skurrilste Gurgeln entlockt, und Hannes Clauss, der sein Schlagzeug zuweilen zum Streichinstrument umfunktioniert — zusammen sorgten sie für einen Klangteppich aus Geräuschen, atonalem, chaotischem Lärm und minimalistischen Harfengesängen, sowie Elementen aus Jazz und Rock. Ein Hörgenuß.
Erfrischend ungraziös, wie es sich für modern dance gehört, schütteln, hüpfen, robben, rangeln, tasten, wanken die TänzerInnen Gertraut Schlote, Janine Jaeggi und Rolf Hammes über die ungeschmückte Bühne; überwinden unsichtbare Fesseln, suchen sich, kleben aneinander und stoßen sich ab. Sie schneiden Fratzen, äffen die Musiker nach, üben sich in Pantomime und Tai Chi-ähnlicher Zeitlupe — dadaistische Bilder entstehen. Dabei bleiben sie stets abstrakt, nicht Geschichten werden erzählt, sondern Stimmungen erzeugt. Das Publikum lacht.
Die Methode der Improvisation birgt auch Probleme. Die Aneinanderreihung unzusammenhängender Szenen wirkt auf Dauer etwas quälend. Motive werden aufgenommen und wieder fallengelassen, nicht genug ausgespielt. Auch die Körperspannung der Tänzer läßt etwas zu wünschen übrig, Längen entstehen. Es drängt sich der Eindruck auf, als zeigten sie nicht alles, was sie können. Schade. Höhepunkte wie den dramatischen showdown, als Jaeggi und Schlote aneinandergeklammert vorwärtswogen, die eine sich im Schmerz krümmt, halten und trösten läßt, die Musik sich zu Höllenlärm steigert — mehrere solcher Szenen hätte die Aufführung durchaus vertragen. Für FreundInnen expressiver Bühnenkunst aber ein Bonbon — mit Beigeschmack. Beate Ramm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen