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Wir brauchen keinen König!

■ Theater als Spiegel der eigenen Situation: Paul Fosters „Elisabeth Eins“ im Haus der Jugend/Charlottenburg

„Die Cola kannste vergessen.“ In der Hektik des Probenbeginns umgekippt, verteilt sie sich als Lache über den Boden. „Hey Mister Shakespeare“, singt eine Dunkelhaarige ins Mikrophon, völlig unbeeindruckt von dem Trubel um sie herum. Ein Blick noch ins Textheft: „Mist, das konnte ich doch alles mal.“ Kulissenteile stehen im Weg, irgend jemand soll den Louvre wegräumen – „räum doch mal den Louvre weg“ – die Aufregung ist spürbar: Es sind nur noch zwei Wochen bis zur Premiere.

Harte Rhythmen dringen aus den Fenstern des flachen Backsteinbaus, am Eingang des Jugendhauses Charlottenburg dreht man eine Flasche Becks in den Händen, raucht, begutachtet die Ankommenden. Kaum jemand vermutet die Theatergruppe in einem der hinteren Räume.

Vor zwei Jahren gründete sich die Theatergruppe am Haus der Jugend. Durch Aushänge an Schulen und Mundpropaganda fanden sich einige 16- bis 18jährige Mädchen zusammen, brachten wieder andere mit. Zunächst hatten sie Schwierigkeiten, einen ruhigen und geräumigen Probenraum zu bekommen. Die Rockbands gingen vor. Inzwischen haben sie sich ihren Platz im Jugendhaus erobert und hoffen, nach dem schon geplanten Ausbau als „Jugendtheaterwerkstatt“ zum festen Bestandteil der Jugendarbeit in Charlottenburg zu werden. Am Mittwoch wird die Gruppe ihr Stück dem Publikum vorstellen.

Mit Paul Fosters „Elisabeth Eins“ fand sie einen Text, der mehreren Schauspielerinnen wechselnde Rollen bot und zu ihrer eigenen Situation paßte: Als Rahmenhandlung nimmt Foster die Schwierigkeiten einer fahrenden Schauspieltruppe am Hofe Elisabeths von England, die um Anerkennung, einen Ort zum Spielen und ihr finanzielles Überleben kämpft. Viele Passagen wurden geändert, besprochen, wieder geändert, diskutiert. Gewalt, Haß, Ausländerfeindlichkeit waren für die Jugendlichen wichtige Themen, die sie in dem Stück wiederfanden.

Ihre Sprache, ihr Anliegen haben sie in die vorhandene Handlung integriert. Die aktuellen Bezüge bleiben aber punktuell; wie jene Schultheatergruppen, die nur noch Proteststücke gegen Ausländerhaß produzieren, wollen sie nicht sein. Daß sich für die Theatergruppe nur Mädchen interessieren, ist wohl Zufall. Doch wie der Zufall so will, ergaben sich beim Ändern des Textes kleine Seitenhiebe gegen die Männer: „Mickermänner“ sind die vielen edlen Prinzen, die um Elisabeths Hand anhalten wollen. Und als der Bürgermeister die Schauspielerinnen vertreiben will und fragt: „Gibt es denn keinen Mann unter euch?“ lautet die Antwort: „Wir brauchen keine Männer! Keine Könige! Keine Bürgermeister!“ Das Stück lebt von den verschiedenen Ebenen: Schülerinnen spielen Schauspielerinnen, diese wiederum schlüpfen in die Rollen von Königinnen und Hofschranzen. Aus den Rollen der historischen Täter, der Machthaber und Geldwäscher steigen sie dann plötzlich wieder in die Realität des Hier und Jetzt. Shakespeare darf sich im Song dazu äußern: „Hey, Mr. Shakespeare... Sie haben einmal so schön und wahr gesagt, die ganze Welt ist Bühne und jeder Mensch ein Komödiant.“ Uta von Arnim

Premiere am 16.6. um 19 Uhr, Haus der Jugend Charlottenburg, Zillestraße 52. Weitere Vorstellungen: 17.6. (19 Uhr), 18.6. (15 Uhr), 19.6. (18 Uhr).

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