Ziele des Flächennutzungsplans sind gefährdet

■ Stadtforum: Die Kosten der Stadtentwicklung sind nicht mehr handhabbar

Auf der 30. Sitzung des Stadtforums am Freitag und Samstag in Ostberlin drehten sich die Beiträge von Stadtplanern, Verwaltungsmitarbeitern und Politikern vor allem um eins – ums Geld. Der Flächennutzungsplan (FNP) stand auf der Tagesordnung, und im Gespräch mit der taz gab selbst Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) zu, daß die Ziele des Plans gefährdet seien. Die Erhaltung der „charakteristischen Züge und Qualitäten der Stadt“ oder großer Gewerbegebiete außerhalb der Innenstadt droht schlichtweg an fehlenden Finanzen zu scheitern. In seinem Referat über die „Wohnbestandsentwicklung und Infrastruktursicherung“ im Prenzlauer Berg bezifferte Hardt- Waltherr Hämer von S.T.E.R.N. die Kosten für sechs Untersuchungsgebiete alleine auf zehn Milliarden Mark.

Die Hälfte der Summe müßte aus dem Landeshaushalt für die Erhaltung des Wohnraums, für die ausreichende Zahl von Kita- und Schulplätzen ausgegeben und die andere Hälfte aus privaten Töpfen bestritten werden. Andernfalls stehe es schlecht um die „ideale Mischung“ der 150.000 Bewohner von „Professoren und Schornsteinfegern“, meinte Hämer. Die damalige behutsame Stadterneuerung in Kreuzberg sei mit den heutigen Aufgaben nicht vergleichbar. Dort seien von der öffentlichen Hand und privaten Eigentümern jeweils eine Milliarde investiert worden – und mit einem Unterschied: „Damals gab es Geld.“

Hämer bezweifelte, daß die benötigten Summen für Prenzlauer Berg aus dem Landeshaushalt aufgebracht würden. Die Milliarden würden eher am Alex oder am Potsdamer Platz verbaut, „dort, wo man etwas sieht“ – in Prenzlberg gebe es für das Geld schließlich nicht eine Wohnung mehr. Daß die immensen Summen im Prenzlberg dringender gebraucht würden als anderswo, werde leider weniger begriffen als „eine Schloßfassade, die einfach gestellt wird“.

Hans Heuer, Staatssekretär der Wirtschaftsverwaltung, bezweifelte, daß mit dem Flächennutzungsplan Gewerbe und Industrie erhalten oder angesiedelt werden könnten. Viele Flächen seien in Bundesbesitz. Die zuständige Treuhandanstalt aber habe kein Interesse an einer Entwicklungspolitik, sondern wolle – als „Stadthalter des Bundesfinanzministers“ – die Defizite im Bundeshaushalt gering halten. Dadurch seien die Bodenpreise für produzierendes Gewerbe „deutlich zu teuer“, die Gewerbeflächenpolitik des Senats werde konterkariert. Neben dem Staatssekretär forderte auch Pfeiffer von der Lenkungsgruppe des Stadtforums, daß die Treuhand und das Bundesvermögensamt statt auf eine Profitmaximierung auf eine „Entwicklungsmaximierung“ setzen müßten. Bestimmte Grundstücke sollten für die Industrie zum Nulltarif vergeben werden, das Land und der Bund ihr Geld über eine Beteiligung an den Gewinnen der Unternehmen bekommen – sofern die Unternehmen überhaupt Gewinne erwirtschafteten.

Die baupolitische Sprecherin des Bündnis 90/Grüne, Elisabeth Ziemer, bezeichnete die Gewerbepolitik des Senats gegenüber der taz als „Gewerbevertreibungspolitik“. Denn neben Bundeseinrichtungen versuche auch die Landesregierung, Grundstücke möglichst teuer zu verkaufen, und heize auf diese Weise Bodenspekulationen an. Weil sich die Gewerbetreibenden die steigenden Mieten in der Innenstadt nicht mehr leisten könnten, würden sie vertrieben, steige die Arbeitslosenquote. Statt diese Politik zu ändern, würden im Flächennutzungsplan nicht einmal die Folgen der zunehmenden Verelendung der Bevölkerung berücksichtigt. Neu gebaute Wohnungen seien zu groß und müßten deshalb so teuer vermietet werden, daß in Berlin der „Münchner Effekt“ drohe. Dort müßten einerseits Taxifahrer, Schaffner und Krankenschwestern weit außerhalb der Stadt wohnen, was zu einem ungeheuren Verkehrswachstum führe. Andererseits würde sich auf Stellenausschreibungen der Stadt kaum noch jemand bewerben, weil von den angebotenen Gehältern die Mieten nicht bezahlt werden könnten. Der Berliner Flächennutzungsplan sei Theorie, „mit der Wirklichkeit hat er nichts zu tun“, meinte Ziemer. Dirk Wildt