: Alle Basare der Welt zusammen
■ Die "Importmesse Berlin 1993" ist zu Ende / Die VeranstalterInnen zeigen sich zufrieden, die AusstellerInnen sind geteilter Meinung / Für die BerlinerInnen ist die Messe ein Schnäppchenmarkt
Es ist doch praktisch, daß die Löhne in den meisten Ländern der Welt so niedrig sind. So gilt der „Einkauf rund um den Globus“, zu dem die Messegesellschaft AMK vom Mittwoch bis Sonntag vergangener Woche auch dieses Jahr die BerlinerInnen unter den Funkturm geladen hatte, für die meisten BesucherInnen als großer Schnäppchenmarkt.
Während dieser Tage erhöht sich die Zahl der Birkenstock-besohlten MessehallenbesucherInnen so drastisch wie sonst nur zu evangelischen Kirchentagen. Und wer geglaubt hatte, Korbgeflochtenes aus Kenia, indische Räucherstäbchen und peruanische Alpaca- Pullover seien mega-out, wird hier eines Besseren belehrt. Die Verbraucherausstellung – das ist wie ein Zusammenfügen aller Basare der Welt auf wenigen Quadratmetern Messegelände. Hier erwirbt die Berlinerin, was sie sich selbst nie kaufen würde und verschenkt es an Freunde, die ihr so etwas auch schenken würden. Mal im Ernst: Was soll man mit einem afrikanischen Flitzebogen? Oder mit den hübschen Schachfiguren aus Speckstein, bei denen Turm, Läufer und Springer erst nach eingehender Detailuntersuchung zu unterscheiden sind? Aber die Atmosphäre der Hallen macht's, daß sich der Erwerb praktischer Dinge wie ein grober Verstoß gegen den ungeschriebenen Geheimcode ausnimmt: Die schwarze Lederjacke da drüben krieg' ich auch bei C&A, bißchen teurer vielleicht, aber das kleine hölzerne Ei zum Aufklappen, wo ein schwarzer Käfer süß, aber eklig drin wackelt, das bekomm' ich nur hier. Erst recht für drei Mark fünfzig, und guck mal, da steht's: „Messeangebot: drei Eier neun Mark.“
Sicher, es gibt auch andere, wie das Menschenknäuel am Krawattenstand eines deutschen Importeurs beweist. Seidenkrawatten, das Stück 15 Mark – im Dutzend billiger. Oder Holzspielzeug für Kinder aus der Tschechischen Republik. Oder bunt bestickte Rucksäcke aus Guatemala. Oder echte „persische handgewebte Teppische“ aus dem Iran, wie das Messehandbuch verzeichnet, wo ein Altberliner Setzer wohl noch das Teppichhaus Sabet mit den „ehrlischen Preisen“ im Unterbewußtsein hatte. Doch das dichteste Geschiebe, die meisten grapschenden Hände scharen sich um die Krabbeltische, bei denen exotisches Kleinod zu erwerben ist.
Ruhiger geht es in den Hallen 2 bis 7 zu. Zugänglich nur für FachbesucherInnen, sollen hier die Kontakte von Verkäufer zu Einkäufer, vom Anbieter zum europäischen Markt geknüpft werden. Zwischen Preislisten, Visitenkarten und Katalogen werden unter dem freundlich begleitenden Lächeln der Hostessen Verkaufsverhandlungen geführt – wenn es dazu kommt. Die Ergebnisse sind unterschiedlich. Die NicaraguanerInnen von der Tischlereikooperative „Tonio Pflaum“ zeigen sich zufrieden, sie haben für ihre Betten, Regale und Schminktische neue Kunden gefunden, die sich von den sandinistischen Revolutionspostern an der Wand des Standes nicht haben abschrecken lassen.
Verhaltener gibt sich Arvo Kavikas vom Messeneuling Estland: Es sei zwar gut, so eine Messe zu besuchen, zudem die Kosten weitgehend aus Fördermitteln gedeckt wurden. Neue Kontakte habe es aber kaum gegeben, etwas verloren habe er sich mit seinen Damenblusen, Overalls und Sakkos gefühlt. Die Messe sei zu breit, zu viele verschiedene Produktgruppen, so daß speziell an Textilien interessierte EinkäuferInnen nicht gekommen seien. „Da müssen die aus Estland sich an die eigene Nase fassen und vielleicht ihre Preise überdenken“, kommentiert Okke Schlüter, der in diesen Tagen beim Stand von Weißrußland gedolmetscht hat. Dort jedenfalls habe es Verkaufsgespräche sogar mit Quelle und Karstadt gegeben. Und selbst wenn daraus noch keine Verträge entstanden seien, habe sich für die ebenfalls erstmals teilnehmenden Firmen der Messebesuch gelohnt. Aber Weißrußland sei eben auch ein Billiglohnland...
Auch insgesamt ist nach Angaben der AMK die Zahl der FachbesucherInnen gestiegen, so daß das Gros der Beteiligten gute Geschäfte anbahnen konnte. Die erfolgreichsten AusstellerInnen kamen aus Asien: Immerhin 71 Prozent von ihnen meldeten, bereits auf der Messe zu Geschäftsabschlüssen gekommen zu sein. Bernd Pickert
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