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Rekordtief für „Augenlicht des Imam“

Rafsandschani in iranischen Präsidentschaftswahlen erwartungsgemäß wiedergewählt / Niedrige Wahlbeteiligung und weniger Stimmen denn je für den Präsidenten  ■ Von Ahmad Taheri

Berlin (taz) — Wie erwartet, wurde der iranische Staatschef Ali Akbar Haschemi Rafsandschani am Freitag für weitere vier Jahre zum Staatspräsidenten gewählt. Doch Grund zum Triumph hat der 59jährige Politiker wohl kaum. Es war das schlechteste Wahlergebnis für einen Präsidenten seit der Gründung der Islamischen Republik Iran. Lediglich 16.7 Millionen der rund 30 Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich nach offiziellen Angaben aus Teheran an den Wahlen und nur etwas über 10 Millionen Wähler gaben dem schiitischen Pragmatiker ihre Stimme. Das entspricht etwa 62,5 Prozent der abgegebenen Stimmen.

An den Urnen in den iranischen Städten herrschte am Wahltag gähnende Leere, wie Augenzeugen berichteten. Dabei hatten die beiden Großayatollahs Araki und Golpayeghani, die als „Mardscha“, als religiöse Vorbilder gelten, den Gläubigen die Stimmabgabe als religiöse Pflicht auferlegt. Doch das Volk hat anscheinend seinen Glauben an das „Augenlicht des Imam Chomeini“ verloren, wie Rafsandschani einst genannt wurde. Vor vier Jahren waren es noch über 14 Millionen Wähler, die für Rafsandschani votiert hatten, das waren 95 Prozent der Stimmen.

Reformen auf Kosten der Armen

Der Grundbesitzersohn aus der südostiranischen Stadt Rafsandschan galt damals als Hoffnungsträger der Republik. Als langjähriger Parlamentspräsident war er unter Chomeini zum zweitstärksten Mann der klerikalen Herrschaft aufgestiegen. Er hatte entscheidend zur Beendigung des achtjährigen Krieges gegen das iranische Nachbarland Irak beigetragen. Die Armen erwarteten von dem „Feuerwehrmann“ der klerikalen Herrschaft Arbeit und Brot, die Reichen rechtsstaatliche Normalität und persönliche Freiheiten.

Doch die Hoffnung auf eine politische Wende erwies sich rasch als Schimäre. Religiöse Unduldsamkeit und politische Repression hörten nicht auf. Und der Kurs in Richtung freie Marktwirtschaft, zentraler Punkt von Rafsandschanis Fünfjahresplans, wurde für das einer Großteil der Iraner zu einer regelrechten Plage. Die weitgehende Abschaffung der staatlichen Subventionen traf in erster Linie die Mostazafin, die Ärmsten der Armen, in deren Namen Ayatollah Chomeini einst die Macht ergriffen hatte. Auch die Abwertung des Rial vor einigen Monaten, die die Währung konvertierbar machen sollte, ging vor allem auf Kosten der ärmeren Schichten der Bevölkerung. Denn seitdem sind die Preise für Importgüter um ein Vielfaches gestiegen.

Handverlesene Gegenkandidaten

Weit schlechter als Rafsandschani haben indes die drei anderen Kandidaten abgeschnitten. Mit 3,9 Millionen Stimmen hat der 42Jährige Ahmad Tawakuli das beste Ergebnis erreicht. Er konnte nach Angaben von Beobachtern einen Teil der jener Stimmen auf sich vereinigen, die mit ihrer Entscheidung gegen die desolate wirtschaftliche Lage im Iran protestieren wollten. Der ehemalige Arbeitsminister gehört zu den „Rechten“, wie die konservativen Mullahs und ihre Anhänger im Basar genannt werden.

Tawakuli trat während des äußerst matten Wahlkampfes zur Freude der iranischen Unternehmerschaft für eine unbeschränkte Marktwirtschaft und für die Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA ein, „falls diese die eingefrorenen iranischen Guthaben zurückgeben“. Dem Mitglied der Hodschatya, einer messianischen Strömung, die die Vernichtung der religiösen Minderheit Bahai auf ihre Fahnen geschrieben hat, folgte in der Gunst der Wähler Abdullah Dschasemi, Rektor der Islamischen Universität. Der „wissenschaftliche Experte“, wie er sich selber tituliert, hatte den Wählern bürgerliche Freiheiten und eine Lockerung der islamischen Sitten versprochen. Er gilt als moderat und gehört zum Lager Rafsandschanis. Nicht mehr als ein halbes Prozent der Stimmen bekam der Parlamentsabgeordnete Radschab Ali Taheri, der wie Tawakuli zu den Rechten zählt. „Falls ich gewählt werde“, verkündete er lautstark, „werde ich den Streit mit Amerika beilegen.“

Die drei Nebenkandidaten Rafsandschanis hatte der zwölfköpfige Wächterrat, das höchste Verfassungsorgan der Islamischen Republik, aus 128 Bewerbern für das hohe Amt als „geeignet“ ausgesucht und zum Wahlkampf zugelassen. Daher bezeichneten die Oppositionsgruppen bis hin zu den Radikal-Islamisten des einstigen Innenministers Ali Akbar Mohtaschami die Wahlen als Farce und riefen zum Boykott auf. Doch die „Farce“ macht einen gewissen Sinn: Die Wahl, die im Zeichen der Abkehr vom islamischen Radikalismus stand, soll die ideologischen Tabus brechen und den Weg für die Politik Rafsandschanis vorbereiten.

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