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Selbstgerechte UNO in Somalia

■ UNO verteidigt Blutbad vom Sonntag / "Somalis haben selber geschossen" /Neue US-Luftangriffe auf Aidid-Stellungen fordern wieder Tote und Verletzte

Berlin/Mogadischu (taz/dpa/ AFP) – Wird das Blutbad vom Sonntag, als pakistanische Soldaten in Mogadischu 20 friedliche Demonstranten erschossen, zum Wendepunkt in den Beziehungen zwischen UNO und somalischer Bevölkerung? In seltener Hartnäckigkeit haben UNO-Stellen das Vorgehen der Pakistanis verteidigt und eine Entschuldigung verweigert: Die Demonstranten, so UNO-Sonderbeauftragter Jonathan Howe, hätten die Blauhelmsoldaten bedroht, die Pakistanis hätten zunächst Warnschüsse abgegeben. Dem widersprechen alle Augenzeugen. „Die Menge war mindestens 500 Meter von den UNO-Posten entfernt“, berichtete ein US-Reporter. „Diese waren zudem durch Sandsäcke geschützt.“ Ähnlich auch die Berichte anderer Korrespondenten.

Geradezu zynisch mutet auch der Protest Howes dagegen an, daß Frauen und Kinder die Demonstration als „Schutzschilde“ angeführt hätten, was eine Verletzung der Menschenrechte sei. Der ganze Vorfall sei „eine gut geplante Provokation gegen die Pakistaner“ gewesen, meinte Howe gestern. Unosom-Sprecher McGovern behauptete gestern sogar, die tödlichen Schüsse seien den ersten Ergebnissen einer UN-Untersuchung zufolge „von anderer Seite, nicht von pakistanischen Soldaten“ abgefeuert worden. Möglicherweise hätten Menschen aus der Menge die Somalier selber erschossen. Aidids Milizionäre wollten „für die internationale Presse Tote vorweisen“, sagte McGovern.

Somit hat die UNO Aidid eine goldene Gelegenheit serviert, sich als Retter seines Volkes aufzuspielen. „Die Welt muß dieses Töten beenden“, sagte Aidid am Sonntag nachmittag dem Sender CNN. Gestern früh spazierte Aidid öffentlichkeitswirksam durch die Straßen Mogadischus und rief die Bevölkerung dazu auf, „friedlich gegen die Kolonisierung der Somalier durch die Vereinten Nationen zu demonstrieren“. „Sie bombardieren uns, statt den Menschen zu helfen“, sagte Aidid. Die UNO und die USA wollten in Somalia „eine Kolonialherrschaft errichten“. Eine größere Menge versammelte sich später, um mit US- feindlichen Parolen wie „Nazi Clinton“ oder „Kolonialist Clinton“ ihrer Wut freien Lauf zu lassen. Die UNO-Soldaten griffen diesmal nicht ein.

In der Nacht hatten US-Flugzeuge und Hubschrauber erneut Ziele in der Nähe von Aidids Hauptquartier in Mogadischu bombardiert, Dabei kamen nach Berichten von Bewohnern der Gegend acht Somalis ums Leben. Der 90minütige Angriff löste Dutzende von Explosionen aus. Noch Stunden später brannten Lastwagen und Container. Vor einer Garage war am frühen Morgen die verkohlte Leiche eines kleinen Kindes zu sehen. Bei einem zweiten US- Hubschrauberangriff am Vormittag über einer belebten Straße wurde ein Raketenwerfer zerstört und eine am Straßenrand sitzende Frau schwer verletzt.

Hilfsorganisationen verstärkten unterdessen ihre Kritik. „Unser eigentlicher Auftrag, die Leistung von Aufbauhilfe für Somalia, rückt in immer weitere Ferne“, sagte Nicholas Hinton von „Save The Children“. Patrick Fuller vom Roten Kreuz sagte: „Die Lage in Mogadischu ist völlig unberechenbar geworden. Wir können nur hoffen, daß dies nicht auf andere Teile Somalias überschwappt“. D.J.

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