: Im Takt der Zahnbürsten
■ „Jugend lärmt“ in der Buchtstraße & reitet Bonanza zu Tode
Zwei ganz unterschiedliche Formationen bot die 28ste Ausgabe der MIB-Reihe „Improvisationen“. Im ersten Set huldigte das Duo Hainer Wörmann/Reinhart Hammerschmidt der präparierten Tonerzeugung. Daß Gitarrist Wörmann sein Instrument mit den unmöglichsten Gegenständen präpariert und bearbeitet, sollte allgemein bekannt sein. Auch Bassist Hammerschmidt hatte an diesem Abend seinen eigentlich akustischen Baß durch Kopplung mit verschiedensten Effekt-Geräten in einen „semi-elektrischen“ Baß verwandelt.
Nach einem Auftakt, der eher leisen Tönen und Geräuschen nachspürte, folgte eine ausgedehnte Improvisation, in der ganz verschiedene Stimmungen einander folgten. Ausnahmsweise richtig schön war die erste Sequenz dieser suite-artig angelegten Klangexploration. Wörmann entlockte der auf seinen Knien liegenden Gitarre mit zwei zu Klöppeln umfunktionierten Zahnbürsten balaphonartige Sounds, zu denen Hammerschmidt mit gestrichenem und verzerrtem Baß eine Riesenechse schnaufen und fauchen ließ, begleitet von einem Chor fiepsenden Kleingetiers. Die folgenden Sequenzen stießen das Publikum dann in ein Wechselbad bizarrer Klang-Geräusch-Kaskaden. Dabei spannte sich der Bogen von tönender Stille bis zur Schmerzgrenze — wie das Leben eben ist.
Das 10köpfige „Jugend lärmt“- Orchester unter Leitung Peter Apels wartete anschließend mit mächtigem Sound auf. „Strange Food“ hatte die „lärmende Jugend“ ihr Programm betitelt, dessen improvisatorische Momente weniger im musikalischen Material selbst lagen, als im spontan bestimmten Einsatz der neun Musiker durch den mit ganzem Körper agierenden Leiter Peter Apel. Mit sieben Gitarren, einem Tenorsaxophon sowie E-Baß und Schlagzeug läßt es sich gut lärmen und das tat der vielversprechende Nachwuchs denn auch.
„Feedback“ nutzte eben diesen Effekt, um akustisch einen Sturmangriff wahnsinniger Möwen im Bündnis mit einem ausgerasteten Computer vorzutäuschen. Und in „Bonanza“ ritten sich die Cartwrights in den ersten Takten des Themas zu Tode.
Ansonsten spielte das gitarrendominierte Workshop-Ensemble vor allem mit kanonartigen Ein- und Aussätzen kurzer Rockpatterns und Tempovariationen, immer wieder in metallischen Tutti- Ausbrüchen kulminierend.
Arnaud
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen