: „Man soll nicht nur von Solidarität reden“
■ Erfolgreiche SchülerInnendemo gegen Abschiebung einer türkischen Familie
In Wohlgefallen löste sich gestern eine Demonstration auf, mit der SchülerInnen und LehrerInnen der Paul-Dohrmann-Schule in Kreuzberg gegen die Abschiebung eines Mitschülers und seiner Familie protestierten. Aus sechs Klassen der Jahrgangsstufe 5 waren ungefähr fünfzig Kinder zum Sitz des Innensenators Dieter Heckelmann (CDU) am Fehrbelliner Platz gekommen.
Nicht nur Unterschriftenlisten brachten sie mit, sondern auch Gedichte und Aufsätze, in denen sie den Senator aufforderten, der seit vierzehn Jahren in Berlin lebenden türkischen Familie P. eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu ermöglichen. Die vor zwei Wochen drohende Abschiebung in die Türkei war bislang nur verschoben worden. „Ugur gehört zu uns!“ stand auf einem der Transparente. „Ali und Anna und Yeliz und Pit sind seine Freunde, die kommen mit!“ erklärten die Kids in Gesangsform das Motiv ihrer Fahrt nach Wilmersdorf. An PassantInnen verteilten sie außerdem Flugblätter.
Wolfgang Rose, der Rektor der Grundschule, berichtete von einhelliger Unterstützung der Eltern bei der Protestaktion. „Man soll nicht nur von Solidarität reden“, meinte er. Auch Kreuzbergs Volksbildungsstadtrat Dirk Jordan (AL) hatte die Aktion unterstützt.
Bei der Rückkehr aus dem Amtsgebäude brachte Wolfgang Rose die Nachricht mit, daß der Antrag beim Petitionsausschuß doch noch erfolgreich war und die Familie in Berlin bleiben darf. Großer Jubel brach aus. „Jetzt können wir aufatmen“, so Janosch aus der 5b. In seiner Klasse wurde erzählt, daß bei der Nachricht „fast alle Lehrer geweint“ hätten. „Es ist toll, daß es das heute noch gibt!“ kommentierte die Lehrerin Barbara Ghoul die unerwartete Wendung zum Guten.
„Ich bedanke mich bei der ganzen Schule, daß sie das für mich getan haben“, meinte Ugur P. An den Erfolg der Proteste habe er geglaubt. „Wenn so viele Leute kommen, können die doch nicht Nein sagen“, meinte der gebürtige Berliner, der gestern zwölf Jahre alt wurde, über den Staat, in dem seiner Ausweisung rechtlich nichts im Wege gestanden hätte. Matthias Fink
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