Nigerias Militär klebt an der Macht

Wahlkommission setzt Veröffentlichung des Wahlergebnisses aus / Regierung warnt Wahlsieger Abiola vor „Aufruhr“ / Empörte Regimegegner rechnen mit Protesten am Wochenende  ■ Aus Lagos Bettina Gaus

In Nigeria wächst die Sorge, daß das Militärregime unter General Ibrahim Babangida nicht zur versprochenen Übergabe der Macht an eine demokratisch gewählte Zivilregierung bereit ist. Empört und schockiert reagieren Menschenrechtsaktivisten, Rechtsanwälte und ehemalige Politiker auf die am Mittwoch abend erfolgte Entscheidung der Nationalen Wahlkommission, „bis auf weiteres“ das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Samstag nicht zu veröffentlichen und damit die Wahlen faktisch zu suspendieren. „Einige Leute versuchen hier falschzuspielen, und sie werden es bedauern“, sagt Ebun Oyagbola, eine ehemalige Kabinettsministerin. „Ich hoffe, daß niemand das Rad der Zeit zurückdrehen will.“

Der prominente Rechtsanwalt Beko Ransom-Kuti nennt die jüngste Entwicklung Teil eines großangelegten Plans, die Herrschaft des Militärs zu verlängern. Ein ehemaliger Gouverneur des Bundesstaates Kano, Alhaji Abubakar Rimi, warnt: „Niemand sollte versuchen, mit dem Urteil der Bevölkerung herumzuspielen. Niemandem sollte es erlaubt sein, Nigeria in Flammen aufgehen zu lassen, und wer es versucht, muß an seinem Tun gehindert werden. Die Militärregierung hat ihre Ehre zu verlieren. Die Bevölkerung hat ihr Urteil gesprochen.“

Formal hatte die einstweilige Verfügung eines Gerichts in der Hauptstadt Abuja, mit dem die Veröffentlichung weiterer Teilergebnisse der Wahlen verboten worden war, den Anlaß für die Entscheidung der Nationalen Wahlkommission geliefert. Der Richter hatte damit einem Antrag der Gruppe „Vereinigung für ein besseres Nigeria“ stattgegeben. Diese Gruppe, die für ein Verbleiben Babangidas im Amt eintritt, hatte bereits in der letzten Woche eine richterliche Verfügung erwirkt, derzufolge die Wahlen gar nicht erst hätten stattfinden dürfen. Damals jedoch hatte sich die Wahlkommission über das Urteil hinweggesetzt – ein Dekret der Militärregierung von diesem Jahr, wonach kein Gericht in die Arbeit der Wahlkommission eingreifen darf, gab ihr dafür die Rechtsgrundlage.

Diese Möglichkeit hätte der Wahlkommission auch jetzt offengestanden. Die Spekulationen über die wahren HIntergründe, die der Entscheidung zugrunde liegen, werden damit angeheizt. Zwei Varianten werden vor allem diskutiert: Der am weitesten verbreiteten Vermutung zufolge unterstützt Präsident Babangida selber aus dem Hintergrund die Aktivitäten der „Vereinigung für ein besseres Nigeria“ und will mit dem juristischen Tauziehen die für den 27. August geplante Übergabe der Macht verhindern. Die Gruppe behauptet, Unterschriften von 25 Millionen Nigerianern gesammelt zu haben, die sich gegen die Präsidentschaftswahlen aussprechen. Die Unterschriftenliste ist bisher nirgendwo vorgelegt worden, „aber es sollte nicht schwierig sein, sie zu produzieren“, bemerkt ein Regierungskritiker spöttisch.

Andere Beobachter halten es für möglich, daß der in den Augen der Regierung falsche Mann die Wahlen gewonnen hat. Ein großer Teil der Wirtschaft, darunter auch namhafte deutsche Firmen, haben dem Vernehmen nach auf den Kandidaten der konservativen Partei NRC, Bashir Tofa, als Sieger gesetzt. Bereits im Vorfeld der Wahlen war der Verdacht geäußert worden, die Militärherrscher wollten das Votum in diesem Sinne fälschen. Die offenbar überraschend klare Mehrheit für den Sozialdemokraten Abiola habe dies verhindert.

Das „Komitee für die Verteidigung der Menschenrechte“, eine Bürgerrechtsbewegung, hat in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, daß die 30 Bundesstaaten weniger als 24 Stunden gebraucht haben, um ihre Ergebnisse der Wahlkommission zu übermitteln. Die Kommission habe diese aber auch Tage später nicht veröffentlicht: „Wenn die Kommission sofort und zügig gehandelt hätte, wäre das Wahlergebnis noch vor der richterlichen Entscheidung veröffentlicht worden.“

Der inoffizielle Wahlsieger Abiola ist jetzt nach Informationen der nigerianischen Tageszeitung Guardian vor „aufrührerischen“ Statements gewarnt worden. Sein Parteifreund Okechukwu Osita erklärte jedoch der Zeitung: „Die Wahlkommission hat sich Erpressern und Reaktionären unterworfen. Die SDP sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen.“

Am Sonntag läuft die gesetzlich vorgeschriebene Frist zur Veröffentlichung des Wahlergebnisses ab. Demonstrationen und Protestkundgebungen werden von Regimegegnern für wahrscheinlich gehalten. Bereits jetzt ist in mehreren Städten die Präsenz von Polizei und Militär verstärkt worden.