: Heckelmann legt sich mit Kreuzberg an
■ Innensenator weist Bezirksamt Kreuzberg an: Keine Unterschriftensammlung für Doppelte Staatsbürgerschaft
Das Kreuzberger Bezirksamt denkt überhaupt nicht daran, die Unterschriftensammelaktion für das „Referendum Doppelte Staatsbürgerschaft“ in Dienstgebäuden zu unterbinden. „Das kommt nicht in Frage“, wies gestern die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Erika Romberg (AL) gegenüber der taz ein entsprechendes Ansinnen von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) zurück. Wie erst jetzt bekannt geworden ist, hat Heckelmann das Bezirksamt bereits Anfang der Woche in einem Schreiben aufgefordert, die Unterschriftensammlung in den Diensträumen „unverzüglich“ zu unterbinden und ihn „umgehend“ davon zu informieren.
In dem Schreiben, das als Kopie an sämtliche Bezirksämter ging, erklärt der Innensenator, das Referendum verstoße gegen die „Neutralitätsverpflichtung“ der öffentlichen Verwaltung. Parteien, Bürgerinitiativen und politische Organisationen dürften in den Diensträumen keine Werbung betreiben oder politische Unterschriftensammlungen durchführen. Als Rechtsgrundlage werden das Bezirksverwaltungsgesetz und eine Dienstanweisung von 1983 genannt. „Wir fühlen uns von dieser Anweisung nicht betroffen, weil wir keine Partei oder politische Organisation sind“, erläuterte die stellvertretende Kreuzberger Bürgermeisterin Romberg gestern die Haltung des Bezirks zum Heckelmann-Brief. Außerdem sei man nach dem Bezirksverwaltungsgesetz verpflichtet, den Bürger über die Arbeit der Behörde zu unterrichten und sein Vertrauen dafür zu wecken.
„Angesichts der derzeitigen politischen Situation“, so Romberg, „fühlen wir uns geradezu dazu aufgerufen, für die doppelte Staatsbürgerschaft zu werben, weil diese eine Möglichkeit ist, unsere ausländischen Bürger zu schützen.“ Keine Unterschriften für die doppelte Staatsbürgerschaft zu sammeln würde im Gegenteil bedeuten, gegen die Neutralitätsverpflichtung zu verstoßen, denn: „Wer nichts tut, unterstützt die Hatz gegen Ausländer.“ Ein Anwortbrief an Heckelmann ging am Montag hinaus.
Pikant ist die Anweisung noch aus einem anderen Grund: Schließlich hat Heckelmann die nach dem Beamtenrecht ebenfalls zur Neutralität verpflichtete Polizei gegen den Willen des Gesamtpersonalrats zur Olympia-Werbung auf den Dienstfahrzeugen gezwungen. Daß Heckelmann nun dem Kreuzberger Bezirsamt mit der Neutralitätspflicht kommt, bezeichnete der innenpolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne, Wolfgang Wieland, gestern als „geradezu grotesk“. Das Bezirksamt betreibe mit der Unterschriftensammlung keine Werbung, sondern löse nur ein, wozu es laut Verfassung verpflichtet sei: sich für ein friedliches Miteinander einzusetzen. Von einer Verletzung der Neutralität, so Wieland, könnte nur dann gesprochen werden, wenn das Kreuzberger Tiefbau- oder Sozialamt nur unter der Bedingung einer Unterschrift für die doppelte Staatsbürgerschaft für den einzelnen Bürger tätig würde. „Das ist vergleichbar mit dem, was Heckelmann mit der Polizei macht, wenn er die Beamten mit Pro-Olympia-Aufklebern auf den Wannen zu Anti-Olympia-Demos schickt und die Situation deshalb eskaliert.“
Den Vergleich mit Olympia findet Innensenatssprecher Bonfert allerdings „schief“. Schließlich handele es sich bei den Olympia-2000-Aufklebern um eine Aktion „im Interesse der Stadt“. Bei der Unterschriftenaktion für die doppelte Staatsbürgerschaft sei dies dagegen nicht der Fall, da es keinen entsprechenden Beschluß von Senat oder Abgeordnetenhaus gebe. Das Bezirksamt sei zu einem solchen Alleingang nicht ermächtigt. Auf die Frage, was passieren wird, wenn Kreuzberg auf seinem Standpunkt beharrt, war Bonfert felsenfest überzeugt: „Das Bezirksamt wird dieser Weisung Folge leisten.“
Heckelmann trifft türkischen Generalkonsul
Nach seinem gestrigen Gespräch mit dem türkischen Generalkonsul Nuri Yildirim lehnte Innensenator Heckelmann erneut die doppelte Staatsbürgerschaft ab. Als Begründung nannte er Schwierigkeiten, die beispielsweise bei der Wehrpflicht oder dem Erbrecht auftreten könnten. Dagegen erklärte Yildirim, daß die Türkei es anerkennen werde, wenn ein Doppelstaatler in Deutschland bereits seinen Wehrdienst geleistet habe. Mit dem Erbrecht gebe es nur Probleme, wenn der türkische Paß abgegeben werde, dann nämlich genössen Türken keine Staatsbürgerrechte in der Türkei mehr, so Yildirim. Die doppelte Staatsbürgerschaft erleichtere die Integration der Türken in Deutschland.
Laut Heckelmann tun die Sicherheitsbehörden alles, um das „heilige Gastrecht der in Berlin lebenden 170.000 Türken“ zu gewährleisten. Der Generalkonsul erklärte, Berlin habe eine „Musterfunktion“ bei der Integration von Ausländern für die anderen Bundesländer. Die langjährige „Inselsituation“ Berlins habe die Solidarität unter den Ausländern gestärkt. plu/jwe
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