piwik no script img

Von Zartheit und handfester Derbheit

■ Sexualität und Alltag: Ausstellung (Frei ab 18) in der Kampnagel Galerie KX

Ein erigierter Plastikpenis imponierender Größe bewegt sich werbend in Richtung einer überdimensionalen und vorfreudig zuckenden Plastikvagina. Zwei etwas verfremdete Renner aus einem Sexshop-Sortiment: Sie schweben frei im Raum, ihrer möglicherweise lustfördernden Funktion beraubt und anstatt dem Voyeurismus der lüsternen Kundschaft, sind sie der Neugier der Besucher der Ausstellung (Frei ab 18) in der Kampnagel-Galerie KX preisgegeben.

In der Installation Zierficken von Barbara Breyer geht es aber nicht nur um die deftige sexuelle Ebene, sondern auch um das, was notwendigerweise vor dem Sex stattfindet: das Kennenlernen. Die eingebauten Lautsprecher übertragen das Gespräch kultivierter Kopulationswilliger. Eine groteske Gegenüberstellung von vorher und nachher, vom zarten Gesprächsversuch und handfester Derbheit.

Man kann die Ausstellung (Frei ab 18) nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Die drei Künstlerinnen und zwei Künstler nähern sich dem Thema „Sexualität und Alltag“ von ganz verschiedenen Seiten. Die Arbeiten von Barbara Breyer und Marion von Osten verdeutlichen, daß Humor ein wirksames Medium ist, sich Kunst zu erschließen, das aber auch Angriffsfläche bietet. Dies zeigt sich besonders in der Witzesammlung von Barbara Breyer. Die schmierigen Altherrenwitze sind an Geschmacklosigkeit kaum zu übertreffen: „Wie heißt das Fleisch um die Möse? — Frau“, dagegen ist „Lieber Schamlippen küssen als Schlammschippen müssen“ ein Sandkastenvers. Treffend dokumentiert die Künstlerin das, was sie „Verbalsadismus“ nennt.

Andere Arbeiten nähern sich dem Thema eher von der formalen Seite, wie die Installationen zum Thema Traumforschung von Patricia Waller und Mathew Gibsons Installation Pillow Production, ein Versuch industriell produzierter Intimität. Futuristisch designte Mario Ohno seinen Kondomspender, den er aus der Schmuddelatmosphäre herausholt und ihn als Überlebensmöbel am Eingang postiert.

Birgit Maaß

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen