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Auf der Suche nach „zwei flüchtigen Terroristen“

■ Sondereinsatzkommando stürmte Wohnungen in Frankfurt und Wiesbaden

Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden der GSG-9-Aktion im mecklenburgischen Bad Kleinen hat am frühen Montagmorgen ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei in Wiesbaden und Frankfurt am Main mehrere Wohnungen gestürmt. In Frankfurt waren es „mit Sicherheit sechs, vielleicht sogar zwanzig Wohnungen, in Wiesbaden mindestens drei“, sagte Roland Mayer, einer der von der Durchsuchung Betroffenen, der taz. Weder das Bundeskriminalamt noch die Bundesanwaltschaft wollten zu der Aktion Angaben machen.

Roland Mayer, der von 1976 bis 1988 wegen Rädelsführerschaft, Bankraub und Waffenbesitz im Gefängnis saß, wachte gegen 4.25 Uhr auf. Etwa sechs Vermummte mit Stahlhelm, schußsicheren Westen und Maschinenpistolen hatten seine Wohnungstür samt Rahmen aufgebrochen. „Sie haben mich aus dem Bett gezerrt und mit dem Gesicht nach unten auf den Fußboden geschmissen.“ Anschließend mußte er, mit einer entsicherten Maschinenpistole an seinem Kopf, ganz langsam die Hände auf den Rücken legen und bekam Plastikhandschellen angelegt. Nachdem sich das SEK zurückgezogen hatte, trat die lokale Kripo auf den Plan und fragte nach Mayers Ausweis.

„Ich habe nach einem richterlichen Beschluß gefragt“, sagte Mayer. Den allerdings habe es nicht gegeben. Die Beamten beriefen sich statt dessen auf eine Anweisung des Bundeskriminalamts, wonach bei „Gefahr im Verzuge“ auch ohne vorherigen Beschluß zugegriffen werden darf. Auf Mayers Frage, wo die Gefahr denn sei und was sie eigentlich suchten, erhielt er die Antwort: „Zwei flüchtige Terroristen.“ Die längste Zeit der rund zehnminütigen Aktion waren die Fahnder allerdings mit dem Ausfüllen einer Vorlage mit der Aufschrift „Durchsuchung von Räumen“ beschäftigt.

In einem anderen Frankfurter Wohnhaus fanden die Ermittler zunächst die richtige Wohnung nicht. Sie brachen mehrere auf, bis sie endlich, nachdem nur noch zwei Wohnungen in Frage kamen, vor der richtigen standen. Der Wohnungsinhaber öffnete schließlich freiwillig die Tür. Er hatte, nachdem er von dem Lärm im Haus aufgewacht war, Geräusche an seiner Tür gehört – das SEK war gerade damit beschäftigt gewesen, Plastiksprengstoff an der Türe zu befestigen.

In einem dritten Frankfurter Wohnhaus war das Einsatzkommando beim ersten Zugriff ebenfalls erfolglos. Versehentlich stürmte es die Wohnung einer ausländischen Frau, die Todesängste auszustehen hatte, weil sie dachte, es handele sich um einen Angriff von Rechtsradikalen. Julia Albrecht

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