: KFZ-Maat aus der Röhre
■ Scotty beamt uns im Auftrag von Sat.1 zurück auf den Grundschulhof von 1972
„Warum nicht mal einen alternden Cowboy ins All schicken?“ muß sich um 1960 Eugene W. Roddenberry, Chefautor einer amerikanischen Westernserie, gedacht haben. Er hatte in jungen Jahren an einem Flugzeugabsturz teilgenommen und wußte somit, was für unterhaltsame Situationen sich auch weit über dem Erdboden abspielen können. Nachdem er einen Produzenten gefunden hatte, formte er ein altes Western-Sujet – Wagentreck ins Unbekannte – um, packte ein bißchen freiwilligen und noch mehr unfreiwilligen Humor dazu, ebenso einige Prisen amerikanischen Imperialismus und kindlichen Idealismus, schrieb 78 oder 79 Abenteuer – und „Star Trek“ war geboren.
Ab heute fliegt „Raumschiff Enterprise“ mit seiner 400 Mann starken Besatzung unter dem Kommando des „aufbrausenden Weltraum-Cowboys“ (Die Zeit) James T. Kirk wieder in die unendlichen Weiten des Weltraums, um wechselnde Sperrholz-Welten zu erforschen und Schauspieler in sehr merkwürdigen Kostümen zu treffen. Täglich können wir jetzt in die Kommandozentrale schalten, um die Multikulti-Gesellschaft in ihren komischen Schlafanzügen zu beobachten und beim Anflug auf Alpha-Centauri, Iota oder Holbein 917-G Déjà-vu-Erlebnisse en masse zu haben. Denn für die um 1965 Geborenen war „Raumschiff Enterprise“ die erste amerikanische Serie, deren Kenntnis „Pflicht“ war auf den Grundschulhöfen von 1972.
Ist das Bügeleisen cooler als der Phaser?
Und so werden wir in Nostalgie schwelgen und uns die eine oder andere Folge noch einmal beschauen. Captain Kirk wird wieder den Bauch einziehen, sobald irgendwelche weiblich anmutenden Wesen den Orbit bevölkern, und ächzend, aber engagiert tumbe Faustkämpfe vor Pappmachéhorizonten ausfechten. Lieutenant Uhura – die übrigens bei der gesamten Crew beliebt ist, nicht nur weil sie „fachlich patent ist“, sondern auch weil sie „gelegentlich nach Dienstschluß in den Freizeiträumen intergalaktische Balladen zum besten gibt“ (Sat.1-Presse- Info), schaut immer noch routinemäßig verstört in die Kamera, weil ihr Computer nur Informationen ausspuckt, die sie nicht versteht. Pavel Chekov und Hikaru Sulu halten sich gerne etwas im Hintergrund, sind aber immer für ein kurzes „Aye Aye Sir“ gut. Beide beweisen im konzentrierten Umgang mit verschiedenen kleinen Knöpfen und Reglern derartigen Sinn für Feinmotorik, daß man ihnen im Privatleben glatt die Fähigkeit zur Bedienung einer Waschmaschine zutrauen würde – auf Anweisungen hin selbstverständlich. KFZ- Maat Scotty hingegen ist, wie gehabt, für die gröbere Technik zuständig. Er kommt ins Bild, wenn – zumeist auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit Gorms, Morgs oder Mugatos – die Maschine nicht anspringt. Dann beißt der Schotte die Zähne zusammen, klettert in irgendeine herumliegende enge Röhre und bringt unter Zuhilfenahme kleinerer Wunder den Motor wieder in Gang.
Notfalls ist er in der Lage, aus einer gefundenen Kugelschreiberhülse einen provisorischen Materie-Antimaterie-Transmitter zu bauen und damit die völlige Zerstörung des Schiffes zu verhindern – oftmals erst in letzter Sekunde.
Unterdessen dauert der schwelende Konflikt des Vorzeige-Humanisten McCoy und seines logikorientierten Sparringpartners Spock unverändert an. Hier setzt meistens der spitzohrige Vulkanier die intellektuellen Glanzpunkte. Wenn etwa eine Landungstruppe sich nicht wie verabredet per Funk meldet und James Tiberius Kirk ratlos fragt, woran das liegen könne, dann ist lediglich Mr. Spock in der Lage, das Problem scharfsinnig zu analysieren und sämtliche Lösungen zu präsentieren: „Es könnte daran liegen, daß es nicht geht oder daß es nicht gelingt. Oder daß sie es einfach nicht schaffen. Möglicherweise funktioniert es auch nicht.“ (Frei zitiert nach MAD.)
„Kann es etwas Cooleres im Leben geben als all die Phaser, Klingonen und Transporter?“ fragt die Zeitschrift Entertainment Weekly. Und übersieht dabei: Es kann. Zum Beispiel Wolfgang Völz im Raumanzug. Oder Dietmar Schönherr in seiner Kommandozentrale, wenn er unter den besorgten Blicken von Eva Pflug heftig das Bügeleisen am Armaturenpult bedient, um Raumschiff Orion aus dem Strudel des Badewannenausflusses zu starten.
Auch „Raumpatrouille Orion“ wird im Herbst wiederholt. Wenn die Frogs bis dahin die Erde noch nicht in ihre Gewalt gebracht haben. Martin Sonneborn
Werktäglich auf Sat.1, 15.45 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen