: Eugens Offensive fürs Fahrrad
■ Wagners Baubehörde empfiehlt Salto vorwärts in der Straßenplanung: Auf allen Straßen gibt's dann Vorfahrt für Räder Von Florian Marten
Breite Fahrradstreifen auf der Straße statt waschlappenbreiter Buckelpisten zwischen Bäumen und geparkten Autos, Vorfahrt fürs Fahrrad in Wohngebieten und eine fahrradfreundliche Kreuzungsgestaltung – auf dem Papier hat der revolutionäre Umbau von Hamburgs Straßenraum zu Gunsten des Stadtverkehrsmittels der Zukunft, dem Fahrrad, bereits begonnen. „Neue Radverkehrsplanung in Hamburg“ ist ein 32seitiges Dossier der Baubehörde, das derzeit in Bezirksverwaltungen, Innen- und Finanzbehörde für helle Aufregung sorgt.
Übersteht das Papier die Hürden der Behördenabstimmung, droht dem Hamburger Straßennetz tatsächlich eine kleine Revolution: Ziel ist es, die Planungsempfehlungen in die verbindliche Hamburger „Planungsanweisungen Stadtstraßen“ (PlaSt) einarbeiten zu lassen. Gelingt das, so werden die Stadtstraßen in den kommenden Jahren Stück für Stück Richtung Fahrrad getrimmt. Grundlage wäre dabei der modernste Stand der Fahrradverkehrsplanung: Breite Radstreifen auf der Straße stellen das neue Rückgrat des Radverkehrs dar. O-Ton Dossier: „Der Streifen ist als Regellösung vorzusehen.“ Radfahrstreifen, so hat sich gezeigt, sind preiswerter, sicherer, fahrradfreundlicher und autobehindernder als klassische Radwege.
Eugen Wagner schreckte sogar vor der wirksamsten Geheimwaffe gegen das Automonopol im Straßenraum nicht zurück: „Bei hohem Radverkehrsaufkommen sind Fahrradstraßen (Vorrang für Radfahrer, Kfz zugelassen) anzustreben.“ Eugen Wagner hat seinen Coup, mit dem er am kommenden Mittwoch die Öffentlichkeit verblüffen will, gut vorbereitet. Seit einigen Monaten tagt unter seinem Vorsitz in der Baubehörde ein „Fahrradbeirat“, in welchem neben ADAC (!), VCD, Verkehrswacht, Mieterverbänden, DGB und Schülerkammer auch die Hamburger Fahrradlobby sitzt. In den Sitzungen dieses Beirats setzen sich mit Wagners tätiger Beihilfe die Fahrradspezis gegen die anfänglichen Bedenken eines Teils des Arbeitsstabes durch. Die Ergebnisse wurden schließlich, so eine Beirätin zur taz, „im Konsens“ erarbeitet.
Dieser Konsens kann sich nach Auffassung von Radverkehrsexperten sehen lassen: Statt 80 bis 100 Zentimeter sollen Radstreifen und Radwege in Zukunft 160, mindestens aber 110 Zentimeter breit sein. Lebenswichtiger Raum ist dem Fahrrad auch an Kreuzungen zugedacht: „Vor Lichtsignalanlagen wird für Radfahrer grundsätzlich ein separater Aufstellraum auf der Fahrbahn vorgesehen.“ Linksabbiegenden Radlern soll in der Regel eine eigene Spur („Radschleuse mit Sondersignal“) spendiert werden. Weitere Nützlichkeiten aus dem modernen Fahrrad-Einmaleins sind ebenfalls vorgesehen: Unechte Einbahnstraßen, verbesserte Radwege, gute Verknüpfung von Radwegen und Radstreifen...
Und es geht weiter: Auf dem Terminkalender des Beirats, der weit über den Wahltag hinausreicht, sind Sitzungen zur Verknüpfung von Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln sowie die Einführung eines modernen Wegweisesystems für den Radverkehr nach nordrhein-westfälischem Vorbild geplant. Wagner fröhlich: „Das ziehn wir durch, egal, wer nach dem 19. September Verkehrssenator ist.“ Aber: Das versprochene „Hamburger Fahrradkonzept“, auf das nicht nur die Bürgerschaft seit Monaten wartet, steht noch aus.
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