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Nachschlag

■ Yiddish Anders Troykes klargespülte Bebop-Linien

Die großen Zeiten der Liedermacher, als Bettina Wegner, Hannes Wader oder Konstantin Wecker noch anstandshalber jeden linken bis linksliberalen Plattenschrank zu zieren hatten, sind längst vorbei. Ein neues Volksliedgut, mag's manchem heimlich hochgestochener Traum gewesen sein, konnte nicht einmal im Ansatz entstehen, und das alte hat längst mit der allgemeinen Verfügbarkeit medialer Konservierung seinen endgültigen Todesstoß erhalten.

Der „yiddisher nign, er vet aibig leben / Asoi lang vie ide Velt vet shtain / Dus hot in sain Yerishde indser sayde gegebn / Fargessn veln mir dus kainmul, nain!“ (Die jiddische Melodie, sie wird ewig leben / So lange wie die Welt stehen wird / Das hat unser Großvater in seinen Nachlaß gegeben / Vergessen wollen wir das nie, nein!) beginnt das Lied „Dem Saydns Nign“ (Des Großvaters Melodie) auf Karsten Troykes neuer CD „Yiddish Anders“. Doch lange, wer hätt's anders vermutet, läßt sich diese schön nostalgische Täuschung nicht durchhalten – schon drei Verse später heißt's: „Dus selve Lied men singt / Ober vie fremd es klingt.“ Was soll's, Großvater hin oder her, jiddische Lieder kann man trotzdem singen. Vor allem, wo Karsten Troyke die Anregung zu seiner CD nicht vom Großvater erhielt, sondern von seinem Daddy Wolfgang Josh Sellhorn, der zu den exzellentesten Jazzkennern und -förderern zählt und Sohnemann mithin eine Ost-Jazz-Szene-erfahrene Begleitband organisierte. Vorerst noch nichts Überraschendes, wäre da nicht die medientechnisch geschulte Formulierung Papas, daß so ein Programm entstand, „das einerseits die jiddischen Lieder aus ihrer folkloristischen Exklusivität herausholt, und andererseits durch die Fusion verschiedener Musikstile ein Spannungsfeld geschaffen wird, durch das man in neue Gestaltungsräume vorstoßen kann, wie es heute auch auf anderen Gebieten der sogenannten Weltmusik geschieht“. Also CD in die Lade, und los geht's: Stimme schön warm im Vordergrund, Saxophon und E-Baß a bisserl unaufdringlich nach hinten, Schlagzeug hübsch untendrunter, präzise, federnd. Jiddische Worte und Rhythmen und Melodien und, dürfen die Musiker mal allein, klargespülte Bebop-Linien, anderthalb turn-arounds mit obligatem Base-drum-Akzent, unaufdringlich Tuschartiges für die Schlüsse: „Tanzmusiker-Avantgarde. Locker geflockte Musik von Welt.“ Wohl am besten in der Kneipe zu spielen, da tippt's sich mit Füßen so schön dazu, und in heiterer Stimmung ließe sich's mitsummen, beim „Spannungsfeld“-Refrain: „Dus klingt yetst frailecher git / 'S is ober nisht dem Saydns Lied“ (Das klingt jetzt freilich gut / es ist aber nicht des Großvaters Lied)... Marc Maier

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